Methode my ass!

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Innovationsmethoden | Design Thinking | #no-dogma

Warum „Methoden-Denken“ keine Innovationen produziert

tl;dr Innovationsmethoden sind gerne mal in Mode, ihr Potential verpufft leider im Hype-Karussell. Dabei sind sie nur Mittel zum Zweck. Und nicht anders herum.

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„Wir machen erst mal Design Thinking. Dann Lean Startup. Dann Business Model Canvas. Und dann kommt es in die agile Umsetzung.“

Sätze, die man leider immer wieder hört. Wir nennen das: methoden-zentriertes Vorgehen. Die eigenen Ziele und die Wirklichkeit werden einem Vorgehen untergeordnet, dass zufällig gerade en vogue ist.

Alleine das Wort „Methode“ verschleiert, worum es eigentlich geht. Ein Blick in den Duden offenbart, was eine Methode eigentlich ist: eine Arbeitsweise, Art, Behandlungsweise, Handhabung, Verfahrensweise, Vorgehensweise oder ein Weg. Plötzlich klingt das gar nicht mehr so aufregend, oder?

Das gleiche passiert, wenn wir Design Thinking übersetzen – gestalterisch Denken. Bedeutet: Design Thinking ist weniger eine Methode als eine Haltung um an Problemstellungen heranzugehen. Also kann man auch nicht Design Thinking machen!

Das heißt jetzt aber nicht, dass wir Methoden per se verteufeln. Im Gegenteil! Wichtig ist die Auswahl der richtigen Methode. Und das klappt nur, wenn wir wissen, welches Ergebnis diese oder jene Methode nach sich zieht. Jede Methode scheitert, wenn wir das nicht beachten. Wer schon einmal ergebnislos gebrainstormt hat (der Horror!), kennt das.

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Ein „Eingang“ für ein funktionierendes Brainstorming ist z.B. eine klar formulierte Fokus-Frage, die auf einem gemeinsamen Verständnis des Problem-Kontextes aufbaut. Das Ergebnis (oder der Ausgang) sind deshalb in diesen Kontext eingebettete grobe Ideen – die dann natürlich noch konkretisiert werden müssen.
Und diese Ideen sind dann etwa wieder der „Eingang“ für eine weitere Methode, bei der wir mit einem bestimmten Vorgehen Ideen in Verständnis-Prototypen übersetzen.
Und so weiter und so fort.


Methoden sind also nichts weiter als Vorgehensweisen, die uns helfen von einem bestimmten formalen Ausgangszustand zu einem vorher bestimmten formalen Ergebnis-Zustand zu gelangen. Hier beginnt die eigentliche Magie!

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Um ein erfolgreiches (Innovations-)Projekt zu gestalten, müssen wir die wünschenswerten Ergebnis-Zustände und Zwischenstände kennen. Dann können wir die passenden Methoden auswählen. Oder unsere eigenen Methoden entwerfen.

Wir wollen weg vom methoden-zentrierten Vorgehen — hin zum zielorientierten opportunistischen Vorgehen!

Um das zu erreichen müssen wir wissen, was wir wollen. Als Erstes das große Ganze: Das Projektziel klar definieren. Nichts ist wichtiger!

„Wir wollen Innovation!“ ist übrigens kein Projektziel. Sondern wir wollen irgendetwas besser und erfolgreicher machen als andere. Dieses Etwas muss definiert werden. Das dabei dann Neues entsteht, ist quasi ein notwendiges Nebenprodukt. Eine Innovation ist deshalb niemals Selbstzweck – außer aus Karrieregründen oder für die Marketing-Abteilung…

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Haben wir ein Innovations-Projekt vor uns, können wir Methoden-Typen kategorisieren, die uns helfen, die gewünschten Ergebnisse in den unterschiedlichen Projekt-Stadien zu erreichen.

In der folgenden Abbildung sehen wir einen typischen Projekt-Fortschritt (alle Rückschläge jetzt mal ausgeblendet):

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Diese Visualisierung orientiert sich an Geert Claes’ Medium-ArtikelBonus: Du kannst sie HIER separat anschauen, downloaden und kommentieren.

Auf der X-Achse sehen wir den inhaltlichen Fortschritt: Zunächst müssen wir ein relevantes Problem identifizieren. Dann eine Lösung gestalten, die dieses Problem zuverlässigerweise löst. Schaffen wir das, müssen wir natürlich nachweisen, das diese Lösung am Markt bestehen kann.

Auf der Y-Achse sehen wir die Trennung zwischen Konzept und Umsetzung: Ganz grob beginnen wir mit einer abstrakten Idee, die wir in ein Lösungskonzept umsetzen – unsere Lösungs-Vision. Um die Konzept/Realitäts-Schranke überschreiten zu können, begrenzen wir das Lösungskonzept auf den Kern und setzen zuerst nur diesen um. In der Literatur wird dieser Lösungskern als MVP (Minimum Viable Product) bezeichnet.
Und dieser MVP wird dann nach und nach in der Wirklichkeit erprobt und iteriert. Bis der MVP zu unserer großen Lösungs-Vision geworden ist.


Unser Startpunkt auf der X- und Y-Achse ändert sich natürlich je nach Ausgangslage des Projekts. Beginnen wir mit dem Ziel, einen neuen Service oder ein neues Produkt für Bereich X oder Kundengruppe Y zu erfinden, benötigen wir als Erstes neue Erkenntnisse, auf denen wir aufbauen können.

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Der „Eingang“ ist unser Projekt-Ziel und eine bestimmte Nutzergruppe, sowie ein bestehender Service, ein Produkt oder ein Marktsegment. Als formales Ergebnis erwarten wir „Insights“ (Erkenntnisse). Die Methoden, die uns dabei helfen, sind im Prinzip alle Arten von Recherchen, egal ob qualitativ oder quantitativ. Hier können wir uns beliebig bei allen wissenschaftlichen Methoden bedienen, die wir kennen.

Haben wir spannende Erkenntnisse (unser neuer Eingang) gesammelt, die sich aus unserem „professionellen Bauchgefühl“ heraus eignen um Lösungen zu entwickeln, können wir diese qualitativ testen.

Kurzer Einschub: Was meinen wir mit „professionellem Bauchgefühl“?
Egal ob wir das Ziel der Methode kennen, egal ob wir die richtige Methode ausgewählt haben und sie Schritt für Schritt befolgen – das Ergebnis kann trotzdem Müll sein. Einschätzen zu können, ob das Ergebnis qualitativ so hochwertig ist, dass man damit weiter arbeiten kann, das erfordert Expertise. Oder eben 
professionelles Bauchgefühl.

Das Ergebnis, das wir uns versprechen, sind daher kontextual überprüfte Erkenntnisse. Um dies zu erreichen wählen wir wieder entsprechenden Methoden aus (z.B. Card Sorting). Nicht andersherum.


So, wir wollen euch jetzt aber nicht langweilen und die komplette Grafik durchgehen. Stattdessen möchten wir an dieser Stelle gerne eine Lanze für die Marktforschung brechen. Genau, die Marktforschung! Provokant, oder?

Denn alle paar Jahre wird ja im methoden-zentrierten Denken eine neue Sau durchs Business-Dorf getrieben und die alten Methoden werden beiseite gekehrt, da sie ja eh nicht (mehr) funktioniert haben.
Unsere Haltung dazu ist folgende:

Alles „Neue“ gab es schon einmal. Und das „Alte“ hat schon immer so funktioniert wie beabsichtigt – allerdings nur, wenn das „Alte“ im richtigen Kontext angewandt wurde.

Deshalb hat die gute, alte Marktforschung in Zeiten von Design Thinking, Lean Startup, Agile & Co. trotzdem ihre Daseinsberechtigung. Sie bietet ein Ergebnis, das wenige andere Methoden bewerkstelligen können: die quantitative Aufbereitung von Annahmen.

Daher schließt dieser Beitrag mit einem Aufruf: Bitte denkt immer in Zielen und Ergebnissen! Nicht in Methoden.

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