Was weg muss, damit adaptive Strategie gelingt
Adaptive Strategie | Corporate Strategy
Strategiearbeit wird oft als mysteriös und schwer zugänglich wahrgenommen. Wir assoziieren sie mit Vorstandssitzungen und hochkomplexen Analysen, doch das sind nur einige Denkfehler bei der Umsetzung von Strategie.
In diesem Artikel decken wir einige gängige Mythen über Strategie auf und zeigen, wie ein moderner, pragmatischer und kollaborativer Ansatz aussehen kann. Denn wer strategisches Arbeiten wirklich erfolgreich gestalten will, muss bereit sein, einige alte Paradigmen über Bord zu werfen.
Mythos 1: Nur der Vorstand macht die Strategie
Ein verbreiteter Mythos ist, dass Strategiearbeit ausschließlich auf Vorstandsebene stattfindet. Oft wirkt es so, als benötige man fast magische Fähigkeiten, um strategische Entscheidungen zu treffen. Und als müsse Rest der Organisation dann warten, bis die da oben die Richtung vorgeben. Wir nennen das Phänomen gerne Magie auf Vorstandsebene. Dementsprechend häufig hört man in solchen Unternehmen den Satz: „Wir müssen erst auf die Strategie warten.“
Doch adaptive Strategiearbeit ist Teamsport, auf allen Ebenen der Organisation. Jeder braucht die Fähigkeit, in seinem Kontext strategische Entscheidungen zu treffen und in die Tat umsetzen zu können.
Ein Beispiel für gelungene adaptive Strategie
Ein Unternehmen plant, sein Geschäftsmodell zu überarbeiten. Das Kernteam – bestehend aus Führungskräften – entwickelt erste Optionen. Im erweiterten Team sitzen Verantwortliche für bestimmte Teilbereiche und Implementierung sitzen. Sie bringen im Anschluss operative Perspektiven ein, während Expert*innen aus der Produktentwicklung mögliche technische Lösungen aufzeigen.
Am Schluss sorgen die Sponsoren aus dem Top-Management für die finale Zustimmung und die nötigen Ressourcen. So entsteht letztendlich eine vielschichtige Strategie, die vom Top-Management sowie den Teilbereichen unterstützt und mit den nötigen Ressourcen ausgestattet wird.
Mythos 2: Strategieentwicklung und Umsetzung sind zwei Paar Schuhe
Ein weiteres Missverständnis ist, so zu arbeiten, als seien Strategieentwicklung und -umsetzung zwei getrennte Prozesse. Viele Organisationen entwickeln ambitionierte Strategiepapiere, die dann nach der Präsentation in der Schublade verschwinden. Oder sie lassen sich ihre Unternehmensstrategie sogar von externen Beratungsfirmen maßschneidern. Für die Umsetzung ist dann das interne Team verantwortlich. Das reagiert dann oft mit Unverständnis, Ablehnung, Frustration: „Woher kommt das und was soll ich damit tun?“
Dabei sind Strategieentwicklung und Umsetzung untrennbar miteinander verbunden. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille und sollten sowohl top-down als auch bottom-up gedacht werden.
Mit M/O/A beide Seiten im Blick behalten
Das Modell Markierungen-Optionen-Arbeit (M/O/A) von Markus Andrezcak verbindet diese beiden Bereiche der Strategiearbeit. Es schafft einen pragmatischen Rahmen, der sowohl langfristige Planung als auch emergente Anpassungen ermöglicht und verschiedene Geschwindigkeiten in Organisationen anerkennt und synergetisch koppelt.
Mythos 3: Entscheidungen brauchen 100-prozentige Gewissheit
Oft treffen wir Entscheidungen erst dann, wenn wir uns absolut sicher sind – ein Verhalten, das häufig zur „Analyse-Paralyse“ führt. Wir sammeln also immer mehr Daten, ohne zu handeln. Im schlechtesten Fall entscheiden wir irgendwann überhaupt nicht mehr oder verlagern Entscheidungen, zum Beispiel an externe Beratungen.
Dabei bewegen wir uns heutzutage in dynamischen, oft komplexen Umwelten. Wir müssen also lernen, auch mit unvollständigen Informationen in ungewissen Situationen Entscheidungen zu treffen. Kleine kalkulierte Wetten mit Lernschleifen und kontinuierliches Anpassen der Strategie sind effektiver als das Streben nach hundertprozentiger Sicherheit. Die Entscheidungslogiken und Werkzeuge sollten dabei eher einfach sein, um keine Varianzfehler zu erzeugen.
Wie ein iterativer Strategieansatz aussehen kann
Ein Beispiel: Ein Unternehmen, das in einer unsicheren Marktumgebung operiert und neue Märkte erschließen möchte, entscheidet sich für einen iterativen Ansatz. Zunächst werden seine Hypothesen zum Marktbedarf, den Zielgruppen und den Produktpositionierungen in einem kleinen geografischen Gebiet getestet.
Das Unternehmen justiert seine Strategie auf Basis der Erkenntnisse. Schritt für Schritt entsteht so eine valide Markteintrittsstrategie. In diesem dynamischen Prozess sind Hypothesenbildung, Testings und kontinuierliches Lernen die Schlüssel zum Erfolg, um flexibel auf Unsicherheiten zu reagieren und Chancen optimal zu nutzen.
Mythos 4: Strategie ist eine jährliche Planungsveranstaltung
„Strategy is not an annual planning exercise”, sagt der Top-Stratege Roger Martin treffend. Trotzdem wird Strategie in vielen Unternehmen immer noch genau so gehandhabt – als jährliches Strategiemeeting, in dessen Anschluss man sich wieder dem Tagesgeschäft widmet. Häufig hören wir den Satz: „Für Strategie habe ich keine Zeit.“ Doch Achtung! Eine reine Fokussierung auf das Bestehende lässt nicht nur wertvolle Chancen ungenutzt, sondern übersieht auch die Risiken, die durch dynamische Veränderungen in komplexen Umfeldern entstehen. In einer Welt, die sich ständig weiterentwickelt, ist eine kontinuierliche strategische Auseinandersetzung notwendig, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Strategie-Routinen statt Masterpläne
Strategie muss vielmehr als ein kontinuierlicher, lebendiger Prozess gedacht und gemacht werden, der regelmäßig überprüft und angepasst wird. Erfolgreiche Unternehmen integrieren Strategie-Routinen in ihren Alltag und machen sie zu einem festen Bestandteil ihres Handelns.
Das hat den Vorteil, dass man auch ohne umfangreiche, verstetigte Prozesse strategisch wirksam ins Machen kommen kann.
Mythos 5: Strategie ist eine reine Denkaufgabe
Strategiearbeit bleibt oft theoretisch bis abstrakt, manchmal sogar vage. Derartige Unschärfe führt in der Regel zu fehlenden Klarheiten in der Organisation und zu Lücken, die unbeachtet bleiben.
Strategische Prototypen für ein schnelles Testing
Strategie muss konkret und greifbar sein, wenn sie wirksam sein und die verschiedenen Stakeholder mitnehmen soll. Deshalb arbeiten wir mit strategischen Prototypen – ein Transfer aus den Designdisziplinen.
Strategische Prototypen sind ein effektives Mittel, um das Denken anzuregen und Hypothesen schnell zu testen. So können Organisationen frühzeitig Feedback erhalten und sicherstellen, dass alle Stakeholder an einem Strang ziehen.
Mythos 6: Strategie wird entweder outside-in oder inside-out gedacht.
Viele Unternehmen tendieren dazu, ihre Strategie entweder strikt an äußeren Marktbedingungen (outside-in) oder ausschließlich auf der Basis interner Fähigkeiten und Ressourcen (inside-out) auszurichten. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung, doch sie greifen oft zu kurz, wenn sie isoliert voneinander betrachtet werden. Der wahre strategische Mehrwert entsteht erst dann, wenn beide Perspektiven gezielt miteinander verbunden werden. Ein Unternehmen muss nicht nur agil auf externe Marktveränderungen und Wettbewerbsdynamiken reagieren, sondern gleichzeitig seine eigenen Stärken und Kompetenzen optimal ausschöpfen, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
Das Strategie-Hexagon für einen ganzheitlichen Blick
Das von Dark Horse entwickelte Strategie-Hexagon unterstützt Organisationen dabei, diese Balance zu finden. Es verknüpft anhand der sechs Bereiche Zweck, Spielfeld, Wertversprechen, Kompetenzen, Strukturen und Kultur die Innovationsfähigkeit nach außen mit der Transformationsfähigkeit nach innen.
So lässt sich ganzheitliche Strategie entwickeln, die nicht nur auf Veränderungen im Umfeld eingeht, sondern auch die internen Ressourcen des Unternehmens bestmöglich nutzt, um strategisch wirksame und langfristig erfolgreiche Entscheidungen zu treffen.
Mythos 7: Es gibt nur eine Lösung für ein Problem
Ein verbreiteter Irrglaube in der strategischen Arbeit ist, dass es für jedes Problem nur eine richtige Lösung gibt. Häufig neigen Organisationen dazu, schnell auf eine vermeintlich offensichtliche Lösung hinzuarbeiten, ohne ausreichend Zeit in die Exploration alternativer Optionen zu investieren. Doch der Prozess der Strategieentwicklung ist nicht linear – er ist iterativ und gestaltend. Er erfordert sowohl divergente Phasen, in denen verschiedene Möglichkeiten erkundet werden, als auch konvergente Phasen, in denen diese Optionen kritisch evaluiert und priorisiert werden. Indem Unternehmen verschiedene strategische Optionen entwickeln und prüfen, schaffen sie die Grundlage für differenzierte und fundiertere Entscheidungen.
So finden wir verschiedene Optionen in der adaptiven Strategie
Ein Beispiel: Ein Team plant die Entwicklung einer neuen Produktlinie. Anstatt sich sofort auf die naheliegendste Idee zu stützen, nutzt das Team den Design Thinking-Ansatz, um eine Vielzahl unterschiedlicher Produktvarianten zu entwickeln und zu testen.
Dieser explorative Prozess ermöglicht es, kreative Lösungen zu entdecken, die möglicherweise zuvor übersehen wurden. So erhöht es die Wahrscheinlichkeit, eine strategisch durchdachte Entscheidung zu finden, die langfristig erfolgreich ist.
Indem Organisationen lernen, strategische Optionen systematisch zu entwickeln und zu bewerten, können sie nicht nur bessere Entscheidungen treffen, sondern auch ihre Innovationskraft stärken und flexibel auf dynamische Marktbedingungen reagieren.
Fazit
Strategiearbeit ist weder Magie noch ein einmaliges Ereignis. Sie ist ein kontinuierlicher, kollaborativer Prozess, der von mutigen Entscheidungen und laufenden Anpassungen lebt. Indem wir die alten Mythen überwinden, können wir Strategie neu denken – als etwas, das wir gemeinsam gestalten und ständig weiterentwickeln.
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