Adaptive Strategiearbeit in der Future Organization

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Adaptive Strategie: Einer für alle oder alle für einen? Weder noch.

“Strategie ist Magie auf Vorstandsebene.” Dieser häufig zitierte Ausspruch spiegelt die traditionelle Vorstellung wider, dass strategische Arbeit und Entscheidungen allein in den Händen des obersten Managements liegen sollten.

Dabei entsteht ein Problem: Die Strategie ist oft entkoppelt vom Rest der Organisation. Wissen und Erfahrungen, die in anderen Verantwortungs- und Kompetenzbereichen liegen, finden nicht ihren Weg in die Strategieentwicklung, zudem gibt es wenig Rückfluss aus der Strategieumsetzung.

Der radikale Gegenentwurf wäre: Alle machen Strategie. Leider ist das auch nicht so hilfreich, vor allem in größeren Organisationen, da Ressourcen nicht zielführend eingesetzt werden, es an Fokussierung und klaren Entscheidungen fehlt. 

Wer sollte also Strategiearbeit in einer Organisation machen?

Die Antwort lautet: Strategiearbeit sollte wie eine repräsentative Demokratie funktionieren. Das heißt die Einbeziehung verschiedener repräsentativer Stimmen und Perspektiven aus allen Ebenen der Organisation, um eine ganzheitliche und dynamische Strategieentwicklung und Aussteuerung zu gewährleisten.

Eine kluge Orchestrierung der Strategien ist gefragt.

Dabei gibt es nicht nur eine Strategie in einem Unternehmen, sondern eine Vielzahl, die in verschiedenen Verantwortungsbereichen der Organisation verortet sind und miteinander klug orchestriert werden müssen. 

Bedienen wir uns noch einmal bei der Metapher der repräsentativen Demokratie und machen ein Gedankenspiel für eine Stadt – ein Bild, das ich von meinem Kollegen Fried übernommen habe. Eine Stadt ist ein hochkomplexes soziales System, die sich in einer dynamischen Umwelt immer wieder anpassen und weiterentwickeln muss, um lebenswert und fortschrittlich zu sein. Wir nennen sie dann adaptive Stadt. Sagen wir, in dieser adaptiven Stadt gibt es eine Bürgermeisterin. Sie und ihr Team aus Senatorinnen und Senatoren setzen die Leitplanken und koordinieren die verschiedenen Stadtteile. Als zentrales Führungsteam gewährleisten sie, dass es eine Vision gibt sowie strategische Ziele, die sie versuchen in Kohärenz zu bringen und zu halten.

Jeder Stadtteil hat jedoch die Freiheit, eigene, auf seine spezifische Anforderungen und Bedürfnisse zugeschnittene Strategien zu entwickeln. Diese Flexibilität ist entscheidend, denn verschiedene Stadtteile erfordern unterschiedliche Ansätze. Stellen wir uns nun vor, es würde durch die Bürgermeisterin massiv in den Ausbau der Straßeninfrastruktur für den Autoverkehr investiert werden, um Verbesserungen in der Mobilität zu erzielen. Ein Stadtteil aber, der von Familien und älteren Menschen bewohnt wird, hat ganz andere Bedürfnisse. Würde das langfristig funktionieren? Wohl eher nicht. Stattdessen werden aber in jenem Stadtteil, durch eine Bürgerinitiative, die lokalpolitisch unterstützt wird, verkehrsberuhigte Bereiche geschaffen, in denen Fußgänger und Radfahrer den Vorrang haben, es Leihräder gibt und Inseln für Gemeinschaftsaktivitäten und Austausch. Dadurch nutzen mehr Menschen den städtischen Raum und gleichzeitig werden Umweltziele und soziale Ziele besser erfüllt. 

Zentrale Leitplanken, dezentrale Kompetenzen

Ein entscheidendes Element dieser adaptiven Stadt ist das System der dezentralen Kompetenzen und Entwicklungen – und der zentralen Leitplanken und Koordinierung. Sobald eine lokale Strategie erprobt und umgesetzt wird, wie in unserem Beispiel, kann die Bürgermeisterin mit ihrem Team entscheiden, ob und wie diese erfolgreiche lokale Strategie auf andere Teile der Stadt übertragen werden kann. Gleichzeitig sollten zentrale Leitplanken gesetzt werden, wie beispielsweise Mobilitäts-, Umwelt- und Sozialziele, die aber wiederum rückgekoppelt werden müssen.

Diese Struktur aus zentraler Koordination und gleichzeitiger lokaler Gestaltungsmöglichkeit erlaubt es der adaptiven Stadt flexibel und reaktionsfähig zu bleiben. Sie fördert kontinuierliche Anpassungsfähigkeit und hält das Gleichgewicht zwischen gemeinsamen Zielen und individueller Kreativität durch lokale Mitbestimmung und Gestaltung. 

Auch Organisationen sind komplexe Systeme, die sich oft in dynamischen, volatilen Umwelten bewegen. Eine gut orchestrierte Strategiearbeit in einer Organisation ist für uns dezentral entwickelt und zentral koordiniert. Dezentrale Entwicklungen, die vor allem durch lokale Kompetenzen und Strukturen entstehen – zum Beispiel eine KI-Strategie, die in einer Abteilung entwickelt wird –, können insbesondere dann synergetisch in der Organisation wirken, wenn sie zentral koordiniert werden, indem aufgebaute Strukturen und Kompetenzen in andere Verantwortungsbereiche und Strategien überführt werden.   

Diese System-verstärkenden Stützen – Roger Martin nennt sie „Reinforcing Rods“ – schaffen Synergien und damit strategische Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig kann das Thema KI aber auch als strategisches Ziel durch die Geschäftsleitung gesetzt werden und somit als Leitplanke fungieren, die durch die ausführenden Bereiche bekräftigt oder infrage gestellt wird. Diese System-verstärkenden Stützen können aber auch in anderen Bereichen auftreten: Beispielsweise im Zweck, im Spielfeld, im Wertversprechen oder in der Unternehmenskultur – wenn wir unser Strategie-Hexagon als Grundlage für Strategieentwicklung verwenden.

Mögliche Strategie-Kaskadierung in einer Organisation. Zur Darstellung nutzen wir unser Strategie-Hexagon.

Wo genau wird Strategiearbeit in Organisationen verortet?

Strukturell betrachtet muss Strategiearbeit jeweils in den wichtigsten Verantwortungs- und Kompetenzbereichen einer Organisation verankert sein. Das sehen wir auf folgenden Ebenen: Gesamt-Organisation, Geschäftsfelder, Produkt, Funktionale Bereiche oder Fachbereiche. Aber auch strategische Querschnittsthemen wie beispielsweise Digitale Transformation, KI oder Diversität verlangen nach Strategiearbeit und organisationaler Verortung, die oftmals quer liegen und idealerweise Silos lockern oder gar auflösen. Einzelne Teams hingegen brauchen keine für sich stehende Strategie, sofern sie nicht einen der genannten Bereiche insgesamt verkörpern. Personell betrachtet können Teammitglieder aber auch strategisch arbeiten. Eine kluge und diverse Zusammenstellung von Strategie-Teams ist erforderlich, die nicht in Silos gedacht werden sollte und verschiedene Expertisen, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen zur Validierung und Umsetzbarkeit vereint. Das M/O/A-Modell von Markus Andrezak liefert uns dafür die Leitplanke: verschiedene Rollen aus den Bereichen Markierungen, Optionen und Arbeit sollten involviert sein, um Rückkopplungen zu ermöglichen. 

Generell betrachtet sollten Strategien immer dort in der Organisation verortet sein, wo es einen starken Zweck zu bearbeiten gibt. Mit Zweck beschreiben wir, wofür wir antreten. Das kann eine Mission oder ein starkes erstrebenswertes Ziel sein, das uns in unserer Umwelt erfolgreich positioniert.

Ziehen wir uns selbst als Beispiel heran: Bei Dark Horse sind Strategien in bestimmten Kreisen strukturell verankert. Aber: die Menschen die daran arbeiten sind zum Teil auch in anderen Kreisen. In der Strategiearbeit für die Portfolio-Bereiche im Business Development sind beispielsweise maßgeblich die Themenowner mit involviert, die gleichzeitig auch in den Teams verortet sind. 

Verortung von Strategien bei Dark Horse

In Organisationen mit anderen Organisationsstrukturen können Strategien beispielsweise wie folgt verortet sein.

Strategien in funktionalen Organisationsstrukturen

Kopplung von Strategien

Das bringt uns zu der Frage nach der Kopplung der verschiedenen organisationalen Strategien. Dem Strategie-Vordenker Roger Martin folgend ist eine Strategie ein kluges Set aus miteinander verknüpften strategischen Entscheidungen, die einen erstklassigen Mehrwert für unsere Kunden und Nutzenden generiert und uns somit in unserer Umwelt auf der Gewinnerseite positioniert. Wir haben in der Strategiearbeit eine Vielzahl strategischer Möglichkeiten entlang der sechs Felder unseres Hexagons (Zweck, Spielfeld, Wertversprechen, Kompetenz, Struktur, Kultur), aus denen wir uns für welche entscheiden und für andere nicht. Wir nennen das Optionen. Optionen, für die wir uns entscheiden, formen unsere Strategie und diese Entscheidungen sollten klug miteinander verknüpft sein.

Wenn wir also verschiedene Strategien in Organisationseinheiten haben, die idealerweise gut miteinander in Beziehung stehen, dann taucht typischerweise die Frage nach der Flughöhe und Formulierung in den jeweiligen Hexagon-Feldern auf.

Zum einen haben wir in gleichen Hexagon-Feldern verschiedener Strategieebenen strategische Setzungen, die stark miteinander in Beziehung stehen, mitunter sogar die gleichen sind. Zum Beispiel bestimmte Kulturelemente wie verankerte Werte und Normen oder spezifische Strukturelemente wie beispielsweise Forschung & Entwicklung. Wir erinnern uns: Das sind die Reinforcing Rods. Werden strategische Entscheidungen auf der Dachebene getroffen, dann sind sie oftmals weit gefasst und richtungsweisend formuliert und lösen eine Vielzahl von neuen Optionen aus, die in bestimmten Abteilungen erst aufgegriffen und bearbeitet werden können. Dann nennen wir das auf der Dachebene oft Handlungsfelder. Und dann wiederum gibt es strategische Optionen und Setzungen, die ganz spezifisch sind, lokal entwickelt werden und da auch nur wirken. Beispielsweise die Kombination eines ganz bestimmten Produkts und Wertversprechen. Wichtig dabei ist, Formulierungen zu verwenden, die in der Organisation anschlussfähig sind und es ermöglichen, die Optionen zu validieren.

“Whatever framework you use, the intent should be articulating clear choices in a way that people could do something tomorrow.”

Jennifer Riel, Global Director of Strategy bei IDEO & Autorin.

Strategiearbeit aktivieren

Für die strategischen Arbeit erweisen sich folgende Hinweise als nützlich.

  1. Die Arbeit an einer Strategie, zum Beispiel im Bereich Produktstrategie, muss regelmäßig mit anderen Strategien der Organisation in Beziehung gesetzt werden, um mögliche Pfadabhängigkeiten und System-verstärkende Stützen zu identifizieren.
  2. Optionen innerhalb des Hexagons, also zu einer Strategie gehörend, sollten nicht isoliert betrachtet werden, sondern unbedingt in ihrer Wechselwirkung. Eine besonders starke Symbiose gehen dabei sowohl die Felder Spielfeld und Wertversprechen ein, als auch Kompetenzen und Strukturen, die wiederum maßgeblich für die Aktivierung der Strategie sind.
  3. Die Entwicklung von Optionen verstehen wir als eine Gestaltungsprozess, mit einer divergenten und konvergenten Phase. Das ist wichtig zu beachten, denn es geht darum, mögliche blinde Flecken zu identifizieren und die Optionen(-Kombinationen) zu finden, die letztendlich einen Unterschied machen und ihre volle Wirksamkeit entfalten.
  4. Optionen explorieren und validieren wir durch das Testen unserer Hypothesen. Das kann von Low-Fidelity-Prototypen über High-Fidelity-Prototypen bis zu Pilotierungen reichen, je nach Bedarf. Wichtig hierbei ist die Haltung, dass wir strategische Optionen über Prototypen frühzeitig greifbar und besprechbar machen können und das wiederum auch das strategische Denken bereichern und fördern kann. Typischerweise gehen wir von einem Validierungszyklus von drei bis vier Monaten aus.

Fazit: Adaptive Strategiearbeit, die durch zentrale Koordination und dezentrale Entwicklung geprägt ist, ermöglicht Organisationen nicht nur ein dynamisches Wachstum, sondern auch eine tiefgreifende Anpassungsfähigkeit. Sie ist das Rückgrat einer Organisation, die sich kontinuierlich weiterentwickelt und dabei stets innovativ bleibt.

Wer tiefer in die adaptive Strategieentwicklung eintauchen möchte, denen bieten wir Weiterbildungen zum Thema an. Wir würden uns freuen.  

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