Business Model Canvas vs. Dark Horse Strategie-Hexagon: Ein Vergleich der strategischen Werkzeuge

6 min read

Das Business Model Canvas war das Tool der Wahl für die Innovationslandschaften der 2010er Jahre. Es hilft dabei, einzelne Geschäftsmodelle konzentriert zu betrachten. Das Dark Horse Strategie-Hexagon hingegen bietet eine holistische Perspektive, die über einzelne Produkte oder Geschäftsmodelle hinausgeht und die Organisation als komplexes System versteht.

Das Business Model Canvas (BMC), entwickelt von Alexander Osterwalder, hat sich in den 2010er Jahren als unverzichtbares Werkzeug für die Gestaltung neuer Geschäftsmodelle etabliert. In einer Zeit, in der Start-ups und etablierte Unternehmen gleichermaßen nach innovativen Wegen suchten, ihre Geschäftsmodelle zu strukturieren und darzustellen, bot das Business Model Canvas die Möglichkeit, die Kernbestandteile eines Unternehmensplans schnell visuell zu erfassen und auf einem Blatt Papier abzubilden.

Das BMC vereinfacht das Verständnis eines Business Models, indem es alle relevanten Bausteine – von der Wertschöpfung bis zur Kostenstruktur – klar darstellt und Unternehmen ermöglicht, Ideen schnell zu prototypisieren und zu validieren. Diese einfache Struktur und die klare Visualisierung machten das Business Model Canvas zum Business-Tool der Wahl für die Innovationslandschaft der 2010er Jahre.

Doch die Herausforderungen des strategischen Managements haben sich seitdem weiterentwickelt. “Alles neu” ist im Moment nicht so in Mode. In zunehmend komplexen und dynamischen Märkten, die von Unsicherheiten und schneller Veränderung geprägt sind, wird ein Tool benötigt, das nicht nur auf einzelne Geschäftsmodelle schaut, sondern die gesamte Organisation und ihre Interaktionen mit dem Umfeld einbezieht. Die Frage, die aktuell die meisten Unternehmen umtreibt, lautet: „Wie bleiben wir relevant?“

Hier setzt das Dark Horse Strategie-Hexagon an: Es adressiert bereits bestehende Organisationen, die ihre Strategie regelmäßig überprüfen und anpassen müssen, um sich langfristig auf dem Markt zu behaupten. Das Strategie-Hexagon bietet eine ganzheitliche Perspektive, die über einzelne Produkte oder Geschäftsmodelle hinausgeht und die Organisation als komplexes System versteht.

Der folgende Vergleich beleuchtet die Unterschiede und Stärken beider Tools und zeigt, warum es wertvoll ist, die spezifischen Anwendungsfälle des Business Model Canvas und des Strategie-Hexagons zu verstehen – denn je nachdem, ob man ein neues Geschäftsmodell entwickelt oder eine bestehende Organisation weiterentwickeln möchte, bieten die beiden Werkzeuge unterschiedliche, aber komplementäre Ansätze.

Wie immer gilt: Nicht das Tool macht die Musik, sondern die Anwender. Man kann methodisch alles richtig machen und trotzdem alles falsch.

Abb.: Hier das Business Model Canvas von Alexander Osterwalder/ Strategyzer

Abb.: Hier das Dark Horse Strategie Hexagon

1. Innen und Außen: Organisationsfokus vs. Kundenbeziehung

Im Business Model Canvas finden sich links die unternehmensinternen Aspekte und rechts die kundenbezogenen. Das Strategie-Hexagon folgt einer ähnlichen Struktur: „Innen“ bezieht sich auf die Organisation, „Außen“ auf das Umfeld und die Kunden. Diese Trennung hilft, strategische Überlegungen zu strukturieren und zu priorisieren, ohne sich im Detail zu verlieren.

Innen-Außen-Perspektive im Business Model Canvas
Innen-Außen-Perspektive im Business Model Canvas
Innen-Außen-Perspektive im Strategie-Hexagon
Innen-Außen-Perspektive im Strategie-Hexagon

Im Hexagon ist die Umwelt explizit Teil der Betrachtung, während sie im Business Model Canvas nur implizit enthalten ist. Allerdings kann man mit Blick auf die Wirkrichtung auch im Hexagon zwischen einer linken und einer rechten Seite unterscheiden – je nachdem, ob ein Thema nach innen oder nach außen drängt. 

Wirkrichtungsperspektive im Strategie-Hexagon
Wirkrichtungsperspektive im Strategie-Hexagon

2. Wertversprechen und Kundenbeziehung: Komplexität vs. Klarheit

Im Business Model Canvas werden das Wertversprechen und die Kundenbeziehung als zwei separate Bereiche dargestellt. Das bedeutet, dass man für das Wertversprechen einerseits klar definiert, welchen Nutzen das Produkt oder die Dienstleistung für die Kunden haben soll. Die Kundenbeziehung hingegen beschreibt, wie dieser Nutzen in der Praxis umgesetzt wird – also auf welchen Wegen und über welche Kanäle man mit den Kunden in Kontakt tritt, um die Beziehung zu pflegen und zu stärken.

Im Dark Horse Strategie-Hexagon sind diese beiden Aspekte jedoch zu einem Block zusammengefasst. Warum? Weil unsere Erfahrungen zeigen, dass Wertversprechen und Kundenbeziehung in der Realität oft eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Viele Organisationen bieten nämlich nicht nur ein einziges Wertversprechen an, sondern entwickeln im Laufe der Zeit eine Vielzahl davon, die flexibel und je nach Zielgruppe angepasst sind. Diese Flexibilität führt dazu, dass das Wertversprechen und die Art der Kundenbeziehung praktisch untrennbar werden – je nach Kundengruppe wird das Angebot modifiziert und anders kommuniziert.

Das Hexagon vereinfacht diesen Bereich bewusst, um die Organisation zu ermutigen, das Gesamtbild im Blick zu behalten, anstatt jedes Wertversprechen und jede Kundenbeziehung isoliert zu betrachten. Denn je mehr eine Organisation wächst und diversifiziert, desto wichtiger wird es, diese verschiedenen Wertangebote und Beziehungen in einer gemeinsamen Strategie zu vereinen. Dadurch können Unternehmen das große Ganze im Auge behalten und ihre Ressourcen effizienter einsetzen, anstatt sich in einzelnen Details zu verlieren.

Zusammengefasst bedeutet das: Während das Business Model Canvas dabei hilft, in der Gründungsphase klare und spezifische Wertangebote zu definieren, unterstützt das Hexagon dabei, die verschiedenen Wertversprechen und Kundenbeziehungen einer bestehenden Organisation als Gesamtstrategie zu betrachten und zu optimieren. Diese Vereinfachung macht das Hexagon zu einem praktischen Werkzeug, das die strategische Ausrichtung übersichtlich und handlungsorientiert hält.

3. Kundensegmente als Spielfelder

Im Business Model Canvas werden Kundensegmente klar und präzise definiert: Jede Kundengruppe wird isoliert betrachtet, sodass Unternehmen spezifische Produkte und Dienstleistungen für diese Zielgruppe entwickeln können. Diese enge Segmentierung ist hilfreich, wenn es darum geht, ein neues Geschäftsmodell aufzubauen, weil man sich intensiv mit den Bedürfnissen und Erwartungen jeder Zielgruppe auseinandersetzen muss. Das BMC ist somit ideal für Unternehmen in der Gründungsphase oder für solche, die ihren Markt neu definieren.

Das Dark Horse Strategie-Hexagon geht einen flexibleren Weg. Es verwendet den Begriff „Spielfelder“ anstelle von Kundensegmenten und erweitert den Blick auf die Zielgruppen. „Spielfelder“ sind nicht nur spezifische Kundengruppen, sondern umfassen auch geografische Märkte, Vertriebskanäle und andere strategische Bereiche, in denen eine Organisation aktiv ist. Diese Felder definieren den Raum, in dem die Organisation ihre Strategie entfaltet – also wo sie agieren und wachsen möchte.

Die Flexibilität im Konzept der „Spielfelder“ ermöglicht es einer Organisation, sich dynamischer an Marktveränderungen und Kundenbedürfnisse anzupassen. Da sich Kundensegmente über die Zeit verändern und neue Kanäle entstehen, bietet das Hexagon eine offene Struktur, die diese Veränderungen leichter integriert. Das Ziel ist es, nicht an starren Kundensegmenten festzuhalten, sondern die Möglichkeiten auf einem Spielfeld je nach Bedarf zu erweitern oder neu zu definieren. Dies ist besonders für etablierte Unternehmen von Vorteil, die in verschiedenen Märkten und mit verschiedenen Kundengruppen tätig sind und eine agile Anpassung ihrer strategischen Ausrichtung brauchen.

Zusammengefasst: Während das Business Model Canvas eine klare Abgrenzung von Kundensegmenten fördert und dabei hilft, differenzierte Strategien für jede Zielgruppe zu entwickeln, setzt das Hexagon auf die Flexibilität von „Spielfeldern“. Diese offenen und anpassungsfähigen Bereiche erlauben es einer Organisation, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren und ihre Strategie im Einklang mit dem Gesamtbild zu gestalten.

Fazit: Ein Werkzeug für jede strategische Phase

Als großer Fan des Business Model Canvas schätze ich es für seine Verständlichkeit und die Möglichkeit, gezielt an einem einzelnen Geschäftsmodell zu arbeiten. Das BMC ist für mich das ideale Tool, wenn ich mich intensiv auf ein spezifisches Business Model fokussieren oder ein neues entwickeln möchte. Es erlaubt mir, in kurzer Zeit Klarheit über die Bausteine eines Geschäftsmodells zu erlangen und es schrittweise zu optimieren.

Geht es darum, die Strategie einer Organisation als Ganzes adaptiv zu gestalten und kontinuierlich zu überprüfen, ist das Dark Horse Strategie-Hexagon meine erste Wahl. Das Hexagon ermöglicht es, das Gesamtbild der Organisation im Blick zu behalten, strategische Inkonsistenzen zu erkennen und flexibel auf Veränderungen in der Umwelt zu reagieren. Es unterstützt mich dabei, meine Organisation kontinuierlich zu hinterfragen und strategische Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.

Zusammengefasst: Beide Werkzeuge bringen ihre besonderen Stärken zur Geltung, abhängig davon, ob der Fokus auf der Gestaltung eines einzelnen Geschäftsmodells oder auf der adaptiven Strategieentwicklung einer Organisation liegt. So kann ich das beste Tool für die jeweilige Herausforderung auswählen und effektiv anwenden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert