Mit OKRs durch die Ungewissheit steuern

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Bonus-Kapitel unseres Future Organization Playbooks. Der gesamte Artikel ist hier als kostenloser Download verfügbar.

OKR? Vielleicht schon gehört? In vielen Unternehmen ist das ein Hypethema geworden. Die Erfahrungen schwanken zwischen »Funktioniert richtig gut« und »Das hat sich der Teufel ausgedacht, um uns alle ins Unglück zu stürzen«.

Für uns sind OKR (Objectives und Key Results) ein probates Mittel, um eine adaptive Strategie zu operationalisieren. Sie sind ein Steuerungssystem, das gut geeignet ist, um strategische Anpassungen in die Organi­sation zu bringen.

Wir verstehen OKR deshalb nicht als Konkurrenzmodell, um eine adaptive Organisation in Ungewissheit zu steuern, sondern eher als ein gut funktionierendes Add-­on. Auch das OKR-­Mindset passt zu dem Mindset, das wir für die Arbeit mit diesem Playbook voraussetzen.

Für die Lesenden unter uns, die mit OKR bisher nichts am Hut hatten, skizziert dieses Methodenkapitel eine Schritt­-für-­Schritt­-Anleitung, um sich mit OKR­ vertraut zu machen. Und diejenigen, die schon mit OKR arbeiten, finden hier Hinweise, wie sie diese mit einer adaptiven Strategie verzahnen können.

OKR – schnell erklärt am Beispiel aus der Praxis.

So, um aber alle auf Augenhöhe zu bringen, also auch die Lesenden, die die drei Buchstaben O, K und R bisher gemieden haben wie Donald Trump die Wahrheit, erklären wir OKR an einem Beispiel, das einige von uns bestimmt aus eigener Erfahrung kennen:

Das neue Jahr hat gerade begonnen, der Bauchumfang ist über die Weihnachtsfeiertage gewachsen. Wir schauen in den Spiegel und denken uns: »Da müsste man was machen.« Und wenn wir schon dabei sind, warum nicht dieses Mal unser komplettes Leben auf »gesund« transformieren?

Also melden wir uns noch am Morgen des 2. Januar im Fitnessstudio an, hungern uns brav durch den Tag, um abends erschöpft nicht aufs Laufband zu springen, sondern lieber mit Pizza und Eis vorm Fernseher zu versacken. Was ist schief gelaufen? Wir wollten doch Transformation! Unser Ziel war doch klar! Fünf Kilo pro Woche müssen runter.

Nicht anders ergeht es Organisationen: Bei Dark Horse erinnern wir uns an den sogenannten Mut-Januar im Jahr 2019. Damals haben wir »den Laden« für einen kompletten Monat dicht­ gemacht und mutig an neuen Geschäftsmodellen und an einem neuen Betriebssystem für unsere Arbeit gewerkelt. Nur, um am 1. Februar nahezu alles so zu belassen, wie es war. Ja, das ist wirklich so passiert …

Verhaltenspsychologisch ist es egal, ob wir abnehmen oder die Arbeit neu organisieren wollen, es hilft nur eines, um den Willen zur Veränderung nicht von der Macht der Gewohnheit aushebeln zu lassen.: ein formelles Steuerungssystem. Ja, das ist eine sehr trockene, unsexy Um­schreibung für Ziele, Tracking und Feedback. An sich also nichts Neues und nur ein ganz oberflächlicher Teil der Wahrheit.

OKR als Steuerungssystem – nur leider keine Silver Bullet.

In diesem Kapitel designen wir uns ein Steuerungssystem, mit dem wir auch in der Unge­wissheit Ziele messen, bewerten und iterieren können. Wir brauchen dafür unsere Optio­nen aus der adaptiven Strategie (im Playbook-Kapitel »5 Wege, um über Optionen zu entscheiden« ist das ab Seite 86 genauer beschrieben.) und benutzen sie als Grundlage für den OKR-­Ansatz.

Vielleicht sagen jetzt einige: »Och nee, haben wir doch schon ausprobiert. Hat alles noch schlimmer gemacht!« Ja, das kann gut möglich sein. Denn OKR sind ein Zielsystem für unge­wisse Umwelten, das blöderweise oft in Risiko-­Umwelten eingesetzt wird und dort versagt, weil es für Letztere nicht entwickelt worden ist.

OKR erfuhr in den letzten zehn Jahren eine große Beliebtheit, vielleicht können wir sogar von einem Hype sprechen. Dabei stürzten sich viele Toolist*innen auf diesen Ansatz, ohne die Voraussetzungen dafür zu schaffen oder das geeignete Einsatzgebiet zu wählen. OKR everywhere, um der OKR willen!

Keine Frage, am Anfang ist es etwas umständlich, aber wenn alles aufeinander eingespielt ist, sehen wir das OKR­-Framework als ein wirksames und leichtgängiges Tool, um Optionen bearbeitbar zu machen und Feedbackschleifen in der Bewertung von Optionen zu verankern.

Bei uns selbst sorgt die Kombination aus OKR und Optionen­­-Board für ein regelmäßiges und nahtloses Alignment zwischen Strategie und Operative. Sollten die Lesenden in einer Organisation arbeiten, in der OKR schon erfolgreich eingeführt wurden, bietet die Arbeit mit unserem Hexagon und dem Optionen-­­Board eine optimale Vorarbeit für das Formulieren von OKR­-Elementen, was wir etwas später in diesem Kapitel unter dem Stichwort »OKR­-Planning« beschreiben.

KPIs für Risiko – OKRs für Ungewissheit

Viele kennen vielleicht die Geschichte von Zappos (Zalando ist das Copycat), einem der Wegbereiter für den E­-Com­merce. Zappos hat als erster Onlineshop Schuhe verkauft. Ende der 1990er war das ein absur­des Vorhaben. Schuhe müsse man anprobieren, bevor man sie kaufe, hieß es. Damals war E­-Commerce noch ein Geschäftsfeld voller Ungewissheiten und unbestätigter Hypothesen, etwa ob und wie sich Schuhe online verkaufen lassen! Bestellung aufgenommen, Geld erhalten und Schuhe geliefert. Check, done, Ziel erfüllt. Output erledigt.

Aber ist die Kundschaft glücklich und zufrieden? Wird sie noch einmal bestellen? Warum überhaupt? Das alles wissen wir nicht, wenn wir nur auf den Output schauen. Denn da zählt nur: Aufgabe erledigt oder nicht.

Ob die Kundschaft zufrieden mit dem Kauferlebnis war, ist eine Frage, die wir noch erkunden müssen. Haben wir wirklich die richtigen Arbeitsschritte erledigt? Haben wir herausgefunden, ob und wie sich Kundenzufriedenheit herstellen lässt? Reicht es für ein erfolgreiches Ge­schäftsmodell?

Klar, wir haben unseren Output erreicht, aber war es der beste Weg – oder reicht es sogar, wenn wir die Schuhe in einem Laden in der Nähe der Kundschaft abgeben und gar nicht bis nach Hause liefern?

Das sind Fragen, denen wir uns in der Ungewissheitsumwelt über Output (Schuhe geliefert) und Outcome (Kundschaft zufrieden) getrennt voneinander stellen müssen. Schlaue Expe­rimente sollten an der Tagesordnung sein, um zu explorieren, wie wir die Ungewissheit mit der Zeit in Risiko verwandeln können.

Heutzutage herrscht im E-­Commerce keine Ungewissheit mehr, sondern Risiko. Zappos, Zalando, Amazon und viele, viele andere Unternehmen wissen, wie gut sich Schuhe online ver­kaufen lassen.

Sie wissen, wie der optimale Bestellprozess aussieht, mit welcher Wahrschein­lichkeit bestimmte Dinge schiefgehen können, wie hoch die Retourenquote sein wird, welche Margen realisierbar, welche Lieferdienste zuverlässig, wie die Kund*innen zufriedenzustellen sind und wie sie sie dazu bringen, immer und immer wieder zu bestellen. Warum wissen E­-Com­merce­ Unternehmen das? Weil sie es schon Millionen Male gemacht haben. Sie wissen ganz genau, welche Outcomes sie haben wollen und welche Outputs sie dafür brauchen.

Also können sie ganz klassisch KPIs formulieren, die den Output messen und mit hoher Wahr­scheinlichkeit zeigen, dass der Outcome »Kund*innenzufriedenheit« erreicht ist. So brauchen sie nur hier und da ein Kund*innen­-Feedback für eine Outcome-­Messung, um zu sehen, ob sich am Prozess irgendetwas verändert hat.

In einer Risikowelt brauchen wir OKR nicht mehr, denn die strategischen Ziele von damals sind nun Daily Business geworden. Deshalb ist es so wichtig zwischen Risiko und Ungewissheit zu unterscheiden, bei dem Einsatz von OKR.

Eine Top-Down Verzielung funktioniert in der Ungewissheit nicht

In der Vergangenheit wurden Zielsysteme häufig top­-down aufgesetzt und unterjährig nicht angepasst. Erst am Ende des Jahres wussten die Organisationen, ob die Strategie, die sie versuchten, mit ihren Zielen nach unten zu delegieren, aufgegangen ist.

Dabei wurden die Ziele nicht verhandelt und mit denen, die sie erreichen sollten, darüber gesprochen, ob sie überhaupt realistisch sind. Oft fehlen das Ownership über die Ziele und die Möglichkeit, diese anzupassen, wenn sich die Umstände änderten.

In der Ungewissheit arbeiten wir an komplexen Fragestellungen und unvorhersehbaren Än­derungen, die ständig auf uns zukommen können. Für diese Rahmenbedingungen wurde das OKR ­Framework geschaffen. Es bietet allen Beteiligten (top­-down und bottom­-up) die Freiheit, ihre Ziele gemeinsam zu formulieren und sinnvolle Metriken zu erarbeiten, mit denen sie in kürzeren, unterjährigen Zyklen ihren Fortschritt messen und anpassen können.

Die strategische Arbeit bekommt so Sichtbarkeit und Priorität im Arbeitsalltag. OKR sind keine Erfolgsmesser für die tägliche Arbeit und nicht zu verwechseln mit Key Performance Indicators (KPIs) oder Health Metrics, die uns zeigen, wie das Daily Business läuft. Die OKR sind allein der Verzielung der strategischen Entwicklungsarbeit vorbehalten. In unserer Sprache: Sie ermöglichen die Umsetzung und Anpassung von Optionen.

Sie sind kein neuer Weg, um komplizierte Aufgaben zu micromanagen, sondern sollen uns die Freiheit bieten, komplexe strategische Aufgaben mit Servant Leadership (Servant Leadership ist eine von Robert Greenleaf begründete Philosophie der Führung. Sie beschreibt das Führen als Dienst am Geführten, quasi als dienendes Führen anstatt als beherrschendes Führen.) zu begleiten. OKR haben keine Verbindung zum Performance Management.

So nutzen wir OKR bei Dark Horse:

  1. Als Bindeglied zwischen adaptiver Strategie und operativen Teams:
    OKR dienen der Verknüpfung von Mission und Optionen im Arbeitsalltag der Teams. Dieser wichtige Brückenschlag macht in einem partizipativen Prozess eine Verankerung der strategischen Ziele bei allen Mitarbeiten­den möglich.
  2. Als agile Feedbackschleife in der Adaptiven Strategie:
    OKR wird in einem agilen kontinuierlichen Prozess gelebt, der in festgelegten Zyklen Teamre­flexion fördert. So werden wichtiges Feedback und wichtige Learnings an die Strategiearbeit mit Optionen zurückgegeben.
  3. Als Framework:
    OKR bietet ein einheitliches Vorgehen zur Formulierung von Zielen und deren Messbarkeit. Damit wird die Kommunikation innerhalb der Organisation erheblich vereinfacht.

Wie geht das in der Praxis?

Als Erstes wollen wir festhalten, dass OKR ein System ist, das wir hier nur grob vorstellen. Wir beschränken uns auf das Allernötigste, um vorzustellen, was es leisten kann. Wer es ernsthaft und erfolgreich in der gesamten Organisation einführen möchte, wird tiefer in die Materie eintauchen müssen.

Durch die Arbeit an der adaptiven Strategie identifizieren wir Probleme, die wir über Gestaltungsmethoden lösen. Diese Lösungsmöglichkeiten nennen wir Optionen. Unser Ziel ist, Optionen umzusetzen, die am besten zu unseren Markierungen passen. (Was eine Markierung ist und wie sie mit den Optionen zusammenhängt, haben wir im Playbook-Kapitel »Adaptive Strategie« ab Seite 26 beschrieben.)

Das gewünschte Outcome wird dabei immer in der Option selbst formuliert – und wäre deshalb eher eine Erwartung als ein Ziel. Mit dem OKR-­Framework formalisieren wir die strategischen Experimente, die wir zum Ausprobieren der Optionen benötigen. Störungen werden zugelassen und verändern die Erwartungshaltung, wenn sie über die OKR­-Formate an die ausprobierten Optionen zurückgespielt werden.

OKR sollen keine hierarchische Strategiekaskade fördern, sodass alle gestreamlined handeln, sondern einen zahlengestützten Dialog ermöglichen. Denn nur dann können wir Optionen bewerten und ausführen! OKR ergänzen die strategische Betrachtungsebene um eine Zeit­lichkeit und einen konkreten Experimentier-Charakter. Besonders hervorzuheben ist, dass
in diesem Ansatz Strateg*innen und Experimentator*innen die Experimente und Zeithori­zonte gemeinsam erarbeiten.

Um die adaptive Strategie und das OKR­-Framework zu verbinden, beschreiben wir auf den nächsten Seiten, wie wir methodisch OKR-­Zyklen aufsetzen. Dabei werden wir nicht müde zu betonen, dass wir das nur für die strategischen Optionen in der Ungewissheit tun.

Wir wollen nicht unter dem OKR­-Deckmäntelchen Daily­-Business­-Ziele (Risiko) formulieren und die regelmäßigen Formate als Micromanagement-Möglichkeit missbrauchen. Für das Daily Business formulieren wir klassische KPIs oder sogenannte Health­-Metriken und lassen sie aber auch da, wo sie hingehören: im Risikomanagement. Wenn wir aber die Vorarbeit aus Hexagon und Optionen­-­Board nutzen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass uns das passieren könnte.

Methode: OKR-Zyklen aufsetzen

Die Methodenanleitung ist Teil des Bonus-Kapitels unseres Future Organization Playbooks. Der gesamte Artikel inkl. Anleitung ist hier als kostenloser Download verfügbar. Außerdem haben wir den Methoden-Kurs dazu in unserer Academy. Wer an weiteren Tools und Anleitungen interessiert ist, dem bzw. der legen wir unseren Newsletter ans Herz, in dem wir regelmäßig neue Inhalte zum Buch teilen.

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