Soziale Innovationen durch Unternehmen – dürfen die das?!

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Immer mehr Firmen streben neben Gewinn auch nach „purpose“. Sie möchten durch ihre Produkte oder Services, mit ihrer Unternehmenskultur und durch ihr Verhältnis zur Umwelt und Nachwelt einen sinnvollen sozialen Beitrag leisten. Unternehmen mischen so bei der Gestaltung der Gesellschaft mit. Aber meinen sie das ernst? Und dürfen sie das überhaupt?

Genau das hat unsere Monika vor kurzem mit erfahrenen Expert*innen für Soziale Innovationen debattiert. Im Rahmen der Kampagne #innovationsland Deutschland des Bundesministeriums für Bildung und Forschung waren wir als Partnerorganisation beim Online-Event Inspiration: die Zukunftsarena mit dabei.

Wer von euch eine Stunde Zeit hat, kann sich die Debatte hier in voller Länge ansehen. Allen, die weniger Zeit vor dem Bildschirm verbringen möchten, präsentieren wir an dieser Stelle einige interessanteste Ausschnitte.

Wer hat überhaupt debattiert?

Saskia Bruysten, Co-Founderin und CEO von Yunus Social Business, das u.a. Social Intrapreneur*innen in großen Unternehmen befähigt und vernetzt, @saskiabruysten

Odin Mühlenbein, Partner für Globalization & Systemische Wirkung bei Ashoka Deutschland, ein globales Netzwerk für Sozialunternehmer*innen, @OMuehlenbein

Daniel Sahl-Corts, Sustainability Lead for Government Solutions bei Capgemini Invent, der Regierungen unterstützt, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, @sahlbln

Volker Baisch, Gründer der Väter gGmbH, die sich u.a. mit dem Väternetzwerk für die Vereinbarkeit von Vaterschaft und Beruf einsetzt, @Volker_Baisch

Björn Wind, CEO und Founder von Voiio, einem Social Start-up das digitale Lösungen für mehr Familienfreundlichkeit in Unternehmen anbietet

Our very own Monika Frech, Co-Founderin und Partnerin bei Dark Horse (Moderation), @monifrech

Welche Ausschnitte soll ich mir ansehen?

Ausschnitt 1: Fürs Aufschlauen (das Video beginnt automatisch bei 0:26 und endet bei 15:03)

Fürs Aufschlauen: Monika eröffnet mit dem schönen Beispiel der Waschmaschine. Warum? Weil sie seit den 1950ern, auf der Meta-Ebene betrachtet, vielleicht mehr für die Emanzipation der Frau geleistet hat, als es die damalige Gesetzgebung tat. Aber haben Miele und Co. mit ihrer Innovation bewusst sozialen Wandel angestoßen?

Darum geht es auch: Jeder gesellschaftliche Wandel birgt Chancen und Bedrohungen. Unternehmen wollen als Innovatoren wahrgenommen werden. Gleichzeitig haben Innovationen immer unintendierte Nebenwirkungen (siehe Waschmaschine). Die gesellschaftliche Funktion von Unternehmen ist, Unsicherheit zu überwinden. Wenn sie eine Innovation schaffen, gehen sie ein Risiko ein, das im Erfolgsfall mit einer Rendite belohnt wird.

Ein aktuelles Beispiel für das schwierige Verhältnis zwischen Unternehmertum und dem Wunsch, sozial zu wirken, bietet außerdem das „12062020“-Projekt der beiden Einhorn-Gründer Philip Siefer und Waldemar Zeiler. Ihr Vorhaben die Welt zu „unfucken“ wurde nicht überall positiv wahrgenommen.

Bleibt also die zentrale Frage der Debatte: Wer soll gesellschaftlichen Wandel vorantreiben? Unternehmen oder jemand anderes?

Ausschnitt 2: Von innen heraus (das Video beginnt automatisch bei 27:17 und endet bei 39:05)

Von innen heraus: Yunus Social Business investiert mit seinem Venture Capital Fond direkt in Sozialunternehmen. Dieser Bereich ist allerdings eine Nische. „Um eine wirkliche Veränderung in der Gesellschaft herbei zu führen, müssen wir in die großen Unternehmen“, sagt Saskia Bruysten. Allerdings sind diese Konzerne in einem System der Profitmaximierung gefangen. Veränderungen brauchen also Zeit. Was das bedeutet, skizziert Bruysten an den Beispielen Danone, Novartis und Axa.

Auch Volker Baisch von der Väter gGmbH beschreibt, wie er seit 20 Jahren in großen Unternehmen wie Volkswagen das Thema Elternzeit für Väter platziert, um Diversität zu fördern. Er vernetzt Väter, ermutigt und fördert Game Changer, die eine Kulturveränderung anstoßen. „Aber wenn der Vorstand nicht dahinter steht, dann fangen wir erst gar nicht an zu arbeiten“, sagt Baisch. Das habe dann keinen Sinn. Eine wichtige Rolle spiele in diesem Zusammenhang auch die Zusammenarbeit mit den Medien und der Politik.

Für das gleiche Ziel – Diversität und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – arbeitet auch Björn Wind von Voiio. Er bestätigt die wichtige Rolle von Vorbildern und ermuntert zu einem bewussten, mutigen Umgang mit Technologie zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen.

Ausschnitt 3: Aktivismus (das Video beginnt automatisch bei 39:05 und endet bei 54:56)

Aktivismus ist kein Charityprojekt: Über das Reizthema soziales Outsourcing (etwa am Beispiel der Berliner Tafel) geht es in diesem Teil der Debatte. Immer wenn es heiße, dass der Staat mehr Verantwortung übernehmen solle, wer sei das denn eigentlich, fragt Daniel Sahl-Corts von Capgemini Invent in die Runde. Gleichwohl habe die Verwaltung die Aufgabe, Strukturen zu schaffen, um Inklusion, Vielfalt und Beteiligungsmöglichkeiten der Menschen zu fördern. Und da gebe es noch viel Nachholbedarf. Trotz aller Hackathons in den vergangenen Monaten, die zumindest als Zeichen zu werten sind, dass der Staat verstanden hat, das es kein „weiter so“ geben kann.

Odin Mühlenbein von Ashoka dagegen glaubt nicht, dass unser derzeitiges Wirtschaftssystem, dass nur auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit vieler Menschen funktioniert, überhaupt große soziale Veränderungen zulässt. Der einzige Weg sei es seiner Meinung nach, Industriestandards fundamental zu verändern, neue (digitale) Dienstleistungen zu installieren, sowie soziale Businesses stärker zu finanzieren.

Derselben Meinung ist auch Volker Baisch. Er sagt: „Sozialunternehmer müssen anerkannt werden, auch mit Geld. Das darf nicht nur Charity sein.“ Es brauche staatliche Fonds und neue Finanzierungsquellen, die weit darüber hinausgehen, was die Bundesregierung mit ihren 3-Jahres-Plänen veranstalte. „Innovationen brauchen Zeit, Agilität und Risiko“, sagt er.

Saskia Bruysten beobachtet, das der Druck auf Unternehmen, soziale Verantwortung für ihr wirtschaften zu übernehmen, momentan durch Fridays for Future, Black Lives Matter und andere große Bürgerinitiativen wachse. Dieser Druck zusammen mit veränderten politischen Rahmenbedingungen sei der Weg für langfristige Veränderungen.

Bruysten: „Ohne die großen Unternehmen geht es nicht. Wir können so aktivistisch sein, wie wir wollen, alleine bekommen wir soziale Veränderungen nicht hin. Deshalb: Ja, Unternehmen dürfen soziale Innovationen antreiben, sie müssen es sogar.“

Diese Thesen könnt ihr mitnehmen:

Soziale Innovationen müssen nicht immer neu sein: Teilweise mangelt es nicht an Ideen, sondern an deren effektiver Verbreitung in relevanten Gruppen.

Begriffswirrwarr: Unternehmen, die sich sozial engagieren (Corporate Social Responsibility, Mittelstand) ≠ „social business“ ≠ „social entrepreneurship“ mit Fokus auf gesellschaftlicher Transformation.

Money, money, money: Corporate Social Innovationen (CSI) jenseits von Broschüren brauchen nachhaltige Finanzierungen, strukturelle Verankerungen und strategische Verantwortungen in Unternehmen.

Zusammen: CSI kann große systemische Wirkung entfalten, besonders verkoppelt mit Politik und Verwaltung. Dort gibt es jedoch noch viel ungenutztes Potential.

Zusammen II: CSI kann ein wertvoller Baustein zur Lösung gesellschaftlicher Probleme sein. Er entbindet andere Akteure aber nicht von ihrer Verantwortung. Im Gegenteil: Soziale Unternehmer*innen brauchen faire Voraussetzungen und Wertschätzung.

Die besten Zitate:

Wir glauben, dass Diversität und Gleichberechtigung auch in Zukunft Innovationstreiber sein werden. Wir werden Deutschland nicht digitalisieren und nachhaltig aufstellen, wenn wir die Diversität vernachlässigen.

Volker Baisch (Väter gGmbH)

Die Hoffnung ist, dass Social Business Initiativen in den Corporations eine Leitfunktion haben oder eine Art Speedboat sind, die den Unternehmenstanker in eine neue Richtung ziehen. (…) Dieser Kulturwandel ist extrem schwer, aber Menschen folgen guten Beispielen!

Saskia Bruysten (Yunus Social Business)

Jede Bewegung braucht Vordenker, Vorbilder und Technologien dahinter, die einen Beitrag fürs gemeinsame Ziel liefert.

Björn Wind (Voiio)

Der Staat kann Diversität und Inklusion nicht alleine fördern. Das müssen wir alle machen.

Daniel Sahl-Corts (Capgemini Invent)

Alles was im Bereich Corporate Social Responsibility im öffentlichen Raum passiert, ist halt einfach immer super-langweilig. Da geht es nur darum, den eigenen CO2-Fußabdruck zu reduzieren, die eigenen Mitarbeiter zu bespaßen oder schöne Broschüren herauszugeben. Das ist alles nett, aber das kaputte Wirtschaftssystem ändern solche Dinge nicht.

Odin Mühlenbein (Ashoka)

Was meint ihr zu dem Thema soziale Innovationen von Unternehmen? Teilt eure Gedanken und Erfahrungen gerne hier oder drüben bei twitter mit uns und den Panelist*innen.

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