Wie deutsche Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele in die Praxis übersetzen: Zur Bertelsmann-ESCP-Studie über Geschäftsmodelle in der Transformation

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Im Mai 2024 wurde die Studie zur “Wertschöpfung für das 21. Jahrhundert – Geschäftsmodelle in der Transformation” vorgestellt. Sie beleuchtet die Nachhaltigkeitsausrichtung deutscher Unternehmen wurde und von der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit Forschenden der ESCP Business School durchgeführt. Auch ein zusammenfassendes Policy Briefing sowie die Präsentationsaufzeichnung sind verfügbar. Unsere Horses Dr. Lisa Sophie Kroll und Philipp W. Rösler waren bei der Veranstaltung dabei und fassen ihre wichtigsten Erkenntnisse zusammen.

Insgesamt ist zu beobachten, dass sich viele deutschen Unternehmen auf den Weg machen – aber gleichzeitig noch viele Unsicherheiten und Hürden vorhanden sind, die diesen Trend verlangsamen. So wird berichtet, dass die kommende CSRD-Berichtserstattungspflicht zwar zu sinnvollen Innovationen in Unternehmen führt, es allerdings gleichzeitig an Anreizen von staatlicher Seite mangelt, die eine Neuausrichtung von ganzen Geschäftsmodellen inzentiviert. Wurden in der Vergangenheit die politischen Bemühungen eher als Zumutung erfahren, ist mittlerweile Konsens, dass die sozial-ökologische Transformation nur durch die Änderung politischer Rahmenbedingungen gelingen kann. Es fehlt an Subventionen, Steuervergünstigungen für Vorreiterunternehmen, passenden Förderprogrammen für regenerative Start-Ups und vor allem an verbindlichen Standards und Kriterienkatalogen, die verlässliche Vorgaben zu gewünschten Veränderungsprozessen liefern. Letztere sind vor allem zentral, um Investitionen in Richtung zukunftsfreundlicher Geschäftsmodelle zu lenken, wie es beispielsweise die GLS Bank seit 50 Jahren praktiziert. Effizienzsteigerung und finanzielle Vorteile sind zwar bekanntlich Hauptmotor für Veränderung, trotzdem können und sollten bereits stärker nachhaltigkeitsorientierte Unternehmer*innen und Belegschaft an dieser Stelle bewusst Großes bewegen, indem sie ihre Forderungen und Wünsche der Politik verfügbar machen und sich klar für eine regenerative Marktwirtschaft positionieren, die den einzigen Weg in eine lebenswerte Zukunft darstellt: Corporate Political Responsibility.

Ein vorsichtig optimistisch stimmendes Ergebnis: Wenn grundlegende Änderungen auf Geschäftsmodell-Ebene vorgenommen wurden, werden Nachhaltigkeitsfaktoren immerhin mitgedacht. Aber auch Unternehmer*innen können noch viel mehr tun, um den Wandel zu beschleunigen. So wird der steigende Wunsch der Kundschaft nach nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen zwar gehört, jedoch werden hierfür relevante Empfehlungen von NGOs in den seltensten Fällen von Unternehmen berücksichtigt, wenn es um ihre Neuausrichtung geht. Das ist wiederum mit Blick auf die Corporate Social Responsibility von Unternehmer*innen mindestens ungünstig. Auch neue, alternative Geschäftsmodelle wie das Verantwortungseigentum erleichtern die Ausrichtung auf Gemeinwohlaspekte statt Shareholder-Value-Maximierung, werden von Unternehmer*innen allerdings häufig noch nicht in Betracht gezogen.

Treiber und Hemmnisse der Veränderung von Aktivitäten und Geschäftsmodellen in der Vergangenheit

Auch auf der Kulturebene, die im Management eher selten mit Nachhaltigkeitsbemühungen assoziiert wird, existieren vielerorts große, ungehobene Potenziale. Aus Sicht von Organisationsentwickler*innen müssen Anreize für Entscheider*innen implementiert werden, die ethische, wertebasierte Entscheidungen auch finanziell belohnen. Generell werden Werte, sofern sie denn überhaupt gemeinsam mit der Belegschaft definiert wurden, im Alltag oft nicht konsequent gelebt. Dazu kommt das Fehlen einer mutigen Fehler- und Innovationskultur, z.B. durch das Einrichten inklusiver, silo-übergreifender Innovationslabore oder dem Vorleben einer Safe-Enough-to-Try-Mentalität auf C-Level-Ebene, die Experimente mit Unterstützung der Führungsverantwortlichen ermöglicht. Gleichzeitig wird deutlich, dass strategische Partnerschaften wie Public-Private-Partnership-Kollaborationen noch zu selten initiiert werden.

Dazu kommt, dass sich viele Unternehmen eher auf die Reduktion ihrer Schadstoffemissionen konzentrieren, aber gleichgewichtige Probleme wie den schnell voranschreitenden Biodiversitätsverlust häufig übersehen. Auch sind einkommensschwache Kund*innensegmente meist außen vor, wenn es um nachhaltige Produktentwicklung geht. Dabei darf nachhaltiger Konsum kein Luxus sein. Wichtig ist hier zu beachten, dass der nachhaltigste Konsum Konsumverzicht ist. Und nach wie vor wird nachhaltiges Branding als wichtiger erachtet als die tatsächliche Verankerung regenerativer Praktiken in der Unternehmens-DNA – dazu passt auch, dass das Budget für Nachhaltigkeits-Reporting laut einer Studie des IBM Institute for Business Value das für Nachhaltigkeits-Innovationen um 43% übersteigt. Dabei könnten vor allem Unternehmen viel bewegen und Vorbild sein, da Menschen heute eher Marken Vertrauen schenken als Politiker*innen. Es gibt also noch viel zu tun.

Das Reifegradmodell nachhaltiger Gesellschaftstransformation

Die gute Nachricht lautet, dass Vieles in Bewegung ist. Dabei ist es keine Schande, dass viele Unternehmen noch am Anfang ihrer Reise stehen – die wenigsten Organisationen werden als sogenannte “Transformatoren” eingestuft, was ihre Nachhaltigkeitsreife angeht. Diese Vorreiterorganisationen können jedoch als Leuchttürme und Inspiration für die über 60% der “Adaptoren” dienen, bei denen noch viel Veränderungspotenzial schlummert.

Machen wir uns also gemeinsam auf den Weg! Gern unterstützen wir euch dabei. Die richtigen Tools, Benchmarks und Ideen sind zur Genüge vorhanden, und Studien belegen, dass sich kluge Implementierung von Nachhaltigkeitsprinzipien auch finanziell lohnt.

Eigentlich ein ganz netter Nebeneffekt.

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