5 Design Thinking Beobachten-Methoden für mehr Nutzer*innen-Insights

4 min read

Design Thinking | Beobachten | User Research

tl;dr Neben Nutzer*innen-Interviews ist die Methode „Beobachten“ eine weitere wichtige Quelle für qualitative Insights für erfolgreiche Innovationsprojekte. Diese 5 Beobachten-Methoden können dabei helfen.

Photo by David Clode on Unsplash

Noch mehr über Design Thinking lesen?
Dieser Artikel ist Teil des Design Thinking Handbuchs, einer Übersicht über alle wichtigen Themen rund um Design Thinking.

Zum Handbuch >>>

Neben Interviews ist Beobachten ein weiteres Werkzeug, um Empathie für den Nutzer aufzubauen und Bedürfnisse und Probleme des Nutzers zu erkennen. Beobachten, können wir das nicht alle? Was soll das denn für ein Werkzeug sein?

Sagen wir mal so, es gibt einen Unterschied zwischen dem alltäglichen Beobachten und dem “Sherlock-Beobachten”.  Es ist erstaunlich, wie viele Details man bei Ersterem verpasst. 

Denn bewusstes Beobachten ist weder einfach noch kann es jeder auf Anhieb. Auch hier macht Übung den Meister. Wer es nicht glaubt, den überzeugt vielleicht dieses kurze Video vom Gegenteil.

Teste deine Beobachtungsgabe in diesem kurzen Video

Was aber beobachte ich genau?

1. Körpersprache

Körpersprache ist ein wichtiges Indiz dafür, wie sich Personen bei bestimmten Themen oder Aussagen fühlen, also ihren Emotionen. Passt z. B. Gesagtes und Körpersprache nicht richtig zusammen, ist das ein wertvolles Zeichen, dass hier evtl. ein innerer Konflikt besteht.

Innere Konflikte oder innere Widersprüche sind die Gold-Nuggets der Design Thinker, nach denen man schürft. Konflikte und Widersprüche verdeutlichen, “hier ist etwas zu holen”, hier kann ich vielleicht ein Problem für die Nutzerin lösen. Mit der richtigen Fragetechnik kommt man dem Nugget auf die Spur. 

2. Workarounds

Als zweites Beobachten wir den Nutzer und sein Umfeld und suchen nach so genannten Workarounds bzw. individuellen Anpassungen. Work Arounds sind Abkürzungen, die sich die Nutzerin selbst gebaut hat aus Dingen, die so nicht gedacht waren.

Da ist z. B. dieser Nutzer, der einen Glastisch als Handy-Halterung zweckentfremdet. Das Problem kennen wir wohl alle, wenn wir im Liegen ein Handy halten. Auf Dauer wird der Arm ganz schön schwer.

Diese LKW-Fahrer haben sich für ihre Mittagspause auch etwas besonderes ausgedacht. Solche Eindrücke kann man kaum sammeln, wenn man Nutzer*innen für Interviews ins Büro einlädt für Interviews statt sich in den Kontext der Nutzer*innen begibt.

Work-Arounds sind ein deutliches Zeichen, dass die Bedürfnisse des Nutzers noch nicht erfüllt sind und deswegen individuelle Anpassungen gebaut wurden, um genau diese Bedürfnisse zu erfüllen. Für Design Thinker sind Work-Arounds ebenfalls Goldnuggets, nach denen wir suchen.

3. Kontext-Informationen

Als Drittes beobachten wir das Umfeld des Nutzers. Wie ist die Wohnung dekoriert, welche Technik nutzt der Nutzer, worauf legt die Nutzerin besonders viel Wert?

Diese Informationen sind deswegen wichtig, weil unsere späteren Lösungen ja genau in diesen Nutzer-Kontexten funktionieren müssen, um überhaupt Mehrwert stiften zu können.

Einfaches Beispiel: entwickelt ihr eine App-Lösung, euer Nutzer benutzt aber noch ein älteres Handy, wird die Lösung für den Nutzer nicht funktionieren. Selbst wenn ihr die perfekte Lösung gefunden hättet, die Idee scheitert am Kontext.

Der Clou hier ist: da wir noch nicht wissen, wie spätere Ideen aussehen, können wir auch nicht wissen, welche Kontext-Informationen wichtig sind. Anstatt jetzt ALLES zu beobachten, beobachten wir wir genug, um Empathie für den Nutzer aufzubauen. 

Empathie ist an dieser Stelle eine Abkürzung: mit Empathie kann man erahnen ob eine Lösung zu einem Nutzer und in den Kontext passt, ohne dass wir den gesamten Kontext dokumentieren müssen. 

Dieses empathische Bauchgefühl ist im späteren Verlauf unglaublich wichtig, um schnell Lösungen zu identifizieren, die für Nutzer’innen funktionieren könnten .

Dark Horse Newsletter Design Thinking

Der Dark Horse Newsletter

Das Yps Heft unter den Newslettern: die neuesten Tools & Templates rund um Design Thinking zum selber Machen und Ausprobieren.


4. Walk-Throughs

Als Viertes fragen wir unsere Nutzer, ob Sie uns evtl. zeigen können, wie sie bestimmte Dinge erledigen. In einem Projekt zu Heizungen haben wir uns z. B. zeigen lassen, wie sie ihre Heizungen einstellen. Bei einem Projekt zum Einkaufen haben wir uns ihren Kühlschrank zeigen lassen und erzählen lassen, warum sie was kaufen.

Solche “Walk-Throughs” sind unglaublich hilfreich, um die Routinen und Vorlieben von unseren Nutzern besser zu verstehen. Wenn wir z. B. die LKW Fahrer weiter oben gefragt hätten, uns zu zeigen wie sie ihre Mittagspause verbringen, hätten wir direkt die Work-Arounds entdeckt.

Walk-Throughs sind also ein wichtiges Mittel beim Beobachten. Es ist allerdings emotional gar nicht so einfach, diese Bitten auszusprechen, weil es sich evtl. komisch anfühlt, in fremde Kühlschränke zu schauen. Aber als Sherlock ist es unglaublich wichtig, genau diesen zu sehen.

Deswegen ist es wichtig, solche Fragen erst gegen Ende eines Interviews zu stellen, wenn bereits eine Vertrauensatmosphäre entstanden ist. Dann zeigen uns Nutzer eher Dinge wie Kühlschränke, die eventuell persönlicher Natur sind.

Wichtig ist natürlich, auf freiwilliger Basis zu fragen und ein Nein deutlich als Option zuzulassen:

“Würde es Dir evtl. etwas ausmachen, wenn wir kurz in deinen Kühlschrank schauen könnten? Das wäre für uns super hilfreich! Wenn Dir das unangenehm ist, wäre das aber auch überhaupt Problem und nur verständlich.“

Ein vorbildlicher Sherlock-Beobachter

5. Überraschungen

Die Suche nach Überraschungen ist unglaublich hilfreich, um neue Perspektiven einzunehmen und mehr Empathie aufzubauen. 

Überraschung heißt ja per Definition: hier ist etwas Neues, das ich so nicht kannte. 

Überraschungen liegen oft im Detail, z.B. bei dem Screenshot einer Teenagerin. Was überrascht hier?

Screenshot einer 13-jährigen Teenagerin (Quelle)

Schaut genau hin. ….

Was fehlt in der App-Leiste ganz unten?

Genau, das Telefon. 

Dieses Smartphone wird ohne Telefon-App genutzt.

Solche Überraschungen erzählen eine Menge über Nutzer und ihre Bedürfnisse. Wie eben bei diesem Screenshot. 

Beobachten ist also ein Werkzeug, dass weit über das alltägliche Beobachten hinausgeht, vielmehr wie das Beobachten à la Sherlock funktioniert. Beobachten funktioniert besonders gut, wenn es mit Interviews kombiniert wird, um direkt den Nutzer zur Beobachtung befragen zu können. 

Beobachten ist ein sehr wertvolles Werkzeug, um die Gold-Nuggets in den Interviews aufzuspüren, und genau diese Gold-Nuggets machen wiederum den Unterschied, ob man am Ende auch erfolgreiche Ideen entwickelt.

Noch mehr über Design Thinking lesen?
Dieser Artikel ist Teil des Design Thinking Handbuchs, einer Übersicht über alle wichtigen Themen rund um Design Thinking.

Zum Handbuch >>>

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert