
Raz Godelnik ist Associate Professor für Strategisches Design und Management an der Parsons School of Design – The New School. Er ist der Autor von Rethinking Corporate Sustainability in the Era of Climate Crisis. Dieser Artikel ist zuerst auf Medium erschienen. Mit seiner Erlaubnis haben wir ihn für den Dark Horse Blog übersetzt.
Das oft Albert Einstein zugeschriebene Sprichwort „Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“ beschreibt viele Facetten der Nachhaltigkeitsthematik heute treffend. Unter ihnen sticht die Nachhaltigkeitsberichterstattung als eines der auffälligsten Beispiele hervor. Die zunehmende Bedeutung der Berichterstattung scheint nicht nur wenig bis gar keine Ergebnisse zu liefern; da so viel Energie und Ressourcen in sie investiert werden, ist sie auch ein Fortschrittshindernis. Und trotzdem werden die Unternehmen aufgefordert, noch mehr zu tun.
Ich glaube, es ist an der Zeit, innezuhalten und sich zu fragen: Ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung eher ein Hindernis für die Nachhaltigkeit in der Wirtschaft geworden, als dass sie diese vorantreibt?
Vor einem Jahrzehnt identifizierte EY (Ernst and Young) zwei entscheidende Aspekte der Nachhaltigkeit in der Wirtschaft: Strategie und Berichterstattung. Ich würde noch einen dritten hinzufügen: Innovation. In den letzten Jahren hat die Berichterstattung immer mehr an Bedeutung gewonnen, was die Energie, die Ressourcen und die Aufmerksamkeit betrifft, die sie von den Unternehmen erfordert; oft auf Kosten der beiden anderen Elemente. Eine kürzlich von IBM durchgeführte Umfrage unter 5.000 Führungskräften ergab, dass die Ausgaben für die Nachhaltigkeitsberichterstattung die Ausgaben für Nachhaltigkeitsinnovationen um 43 % übersteigen. Die IBM-Forscher schlussfolgerten, dass „viele Unternehmen Nachhaltigkeit eher als Buchhaltungs- oder Berichterstattungsübung denn als Transformationsprojekt betrachten“.
Und es wird nicht besser. Neue verbindliche Rahmenregelungen für die Berichterstattung, wie die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), erhöhen den Arbeitsaufwand für Unternehmen. Wie Joel Makower in seiner Zusammenfassung für 2024 schreibt: „Aktuelle und zu erwartende gesetzliche Vorgaben haben dazu geführt, dass sich die Nachhaltigkeitsabteilungen von Unternehmen auf die Berichterstattung und Rechenschaftspflicht konzentrieren, was oft von der eigentlichen Arbeit zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsauswirkungen eines Unternehmens ablenkt.“
Die Theorie des Wandels, die der Nachhaltigkeitsberichterstattung zugrunde liegt, ist gescheitert.
Die Tatsache, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung (SR) nicht funktioniert, ist nicht neu, aber dennoch erwähnenswert. Dahinter steckt eine klare Theorie von Veränderung: Theoretisch soll die SR den Unternehmen helfen, Nachhaltigkeitsinformationen besser zu verstehen, zu verwalten und an Stakeholder, insbesondere Investoren, die an solchen Daten interessiert sind, zu kommunizieren. Tim Mohin erklärte das als CEO der GRI (Global Reporting Initiative) in einer Stellungnahme vor dem US-Kongress folgendermaßen: „Unsere Theorie der Veränderung läuft auf das Axiom hinaus, dass ‚man verwaltet, was man misst‘. Alle Organisationen arbeiten mit Daten. Indem man die wichtigsten ESG-Themen identifiziert, misst – und vor allem darüber berichtet -, werden diese Probleme in den Griff zu bekommen sein und die Leistung wird sich verbessern.“
Ziel war es, eine positive Rückkopplungsschleife zu schaffen: Die Anleger:innen nutzen diese Informationen, um ihre Investitionen besser auf Unternehmen zu verteilen, die im Bereich der Nachhaltigkeit gut abschneiden, was den Unternehmen weitere Anreize bietet, mehr für die Nachhaltigkeit zu tun. Dieser Kreislauf würde sich theoretisch weiterentwickeln und die Berichterstattung zu einem Katalysator für Nachhaltigkeitsfortschritte in Unternehmen machen.

Nun, es funktioniert einfach nicht. Einer der deutlichsten Indikatoren dafür ist, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmen heute über Nachhaltigkeit berichtet, aber immer noch schlechte Ergebnisse bei der Verringerung ihrer Kohlenstoffemissionen vorweisen kann. KPMG berichtete dieses Jahr, dass 96 % der G250-Unternehmen über Nachhaltigkeit berichten und 95 % von ihnen Kohlenstoffziele veröffentlichen. Gleichzeitig zeigen Berichte, die die Klimamaßnahmen von Unternehmen bewerten, immer wieder, dass die Unternehmen nicht annähernd das erreichen, was nötig ist, um Net-Zero-Ziele zu erreichen (siehe Beispiele hier, hier und hier). Wie McKinsey es ausdrückt: „Die Net-Zero-Umstellung ist nicht auf Kurs, und die Welt läuft Gefahr, noch weiter zurückzufallen. Die derzeitigen Raten der Emissionsreduzierung zeigen, dass im Vergleich zu dem Stand, den die Sektoren heute erreichen müssen, um bis 2050 Net-Zero-Emissionen zu erreichen, noch erhebliche Fortschritte erforderlich sind.“
Um es klar zu sagen: Die Unternehmen machen zwar Fortschritte bei der Emissionsreduzierung, aber die Fortschritte sind zu langsam, zu gering, und wir sehen immer häufiger Fälle, in denen sie sich sogar zurückentwickeln – entweder indem sie mehr emittieren (z. B. Google und Microsoft) oder indem sie ihre Klima- und Nachhaltigkeitsziele zurückschrauben (z. B. Unilever, JBS und Coca-Cola).
Und wird eine bessere und solidere Berichterstattung daran etwas ändern können? Wohl eher nicht. Der Grund dafür ist, dass die mangelnde Bereitschaft der Unternehmen, mutigere und schnellere Klimamaßnahmen zu ergreifen, und die Unwirksamkeit des SR zwei Seiten derselben Medaille sind. Beides sind Symptome für die „Nachhaltigkeit-as-usual“, bei der die Nachhaltigkeitsbemühungen immer noch dem Shareholder-Kapitalismus unterworfen sind. Im Wesentlichen engagieren sich Unternehmen in Nachhaltigkeitsinitiativen, solange sie sich im Großen und Ganzen mit dem Primat der Gewinnmaximierung decken und nicht wesentlich davon abweichen. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Unternehmen weder einen gesetzlichen Zwang noch einen erheblichen gesellschaftlichen Druck haben, ihre Emissionen zu reduzieren, was bedeutet, dass ihre Maßnahmen im Allgemeinen freiwillig sind und nach ihren eigenen Bedingungen erfolgen – das heißt, sie befassen sich eher mit dem, was ihnen angenehm ist, als mit dem, was notwendig ist.
Nachhaltigkeitsberichterstattung als Katalysator von Nachhaltigkeit-as-usual
Wie ich schon sagte, ist der Gedanke, dass SR nicht effektiv ist, nicht neu, ebenso wenig wie der Gedanke, dass SR Nachhaltigkeit-as-usual widerspiegelt. In meinem Buch Rethinking Corporate Sustainability in the Era of Climate Crisis (2021, Nachhaltigkeit von Unternehmen im Zeitalter der Klimakrise neu denken) gibt es ein Kapitel, in dem ich die SR und ihre Beziehungen zur Nachhaltigkeit-as-usual diskutiere. Ich schließe das Kapitel mit dem Hinweis, dass „um die SR wesentlich effektiver zu machen, die Nachhaltigkeit-as-usual und das gedankliche Modell, das ihr zugrunde liegt, angegangen werden müssen“. Dies ist meiner Meinung nach immer noch der Fall. Was sich jedoch geändert hat, ist die Tatsache, dass die SR nicht nur von der herkömmlichen „Nachhaltigkeit“ angetrieben zu werden scheint, sondern auch als einer ihrer Wegbereiter fungiert.

Es gibt zwei Gründe, warum die SR die „Nachhaltigkeit“ nicht nur antreibt, sondern auch fördert. Der erste Grund ist, dass sie dazu beiträgt, eine Illusion des Fortschritts zu erzeugen, indem sie fälschlicherweise die rege Aktivität rund um die SR in den Unternehmen mit dem Ergreifen von Maßnahmen und dem Erzielen von Fortschritten bei Klima und Nachhaltigkeit gleichsetzt. Da die Nachhaltigkeitsberichte immer länger werden – im Jahr 2023 betrug der durchschnittliche Umfang 82 Seiten, gegenüber 70 Seiten im Jahr 2021 -, könnten Leser:innen den Eindruck gewinnen, dass es den Unternehmen mit der Nachhaltigkeit nicht nur ernst ist, sondern dass sie ihr tatsächlich Priorität einräumen. Warum sonst hätten sie so viel zu berichten? Mit dieser Taktik, Leser:innen in einer Flut von Informationen zu ertränken, soll – explizit oder implizit – der Eindruck erweckt werden, dass das Thema Nachhaltigkeit ernst genommen wird, während die Realität oft weit davon entfernt ist.
Der zweite Grund ist, dass dadurch Energie und Ressourcen von Aktivitäten abgezogen werden, die eigentlich den Fortschritt vorantreiben, wie Produkt- und Geschäftsmodellinnovationen, der Aufbau von Ökosystemen, die Unterstützung von Kund:innen bei der Umstellung auf einen kohlenstoffärmeren Lebensstil und die Zusammenarbeit mit Zulieferern, um diese bei der Einführung kohlenstoffarmer Praktiken zu unterstützen. Eine eingehende Befragung von rund 180 Führungskräften aus dem Bereich Wirtschaft und Nachhaltigkeit aus allen wichtigen Sektoren des Vereinigten Königreichs ergab, dass „etwa 40 % der Fachleute für Nachhaltigkeit jährlich 25-50 % ihrer Zeit allein für die Berichterstattung und Offenlegung aufwenden. Es gibt sogar einige Unternehmen (6 %), die das ganze Jahr über mehr als 75 % ihrer Zeit für diese Tätigkeit aufwenden“.
Bei so viel Zeit und Ressourcen, die für die Berichterstattung aufgewendet werden, spricht vieles dafür, dass diese unverhältnismäßige Konzentration auf SR die Fähigkeit von Nachhaltigkeitsexpert:innen verwässert, sinnvolle Maßnahmen zu unterstützen, zu fördern und sich zu engagieren und damit zum schrittweisen Fortschritt in Sachen Nachhaltigkeit beizutragen. Wie Matt Price letzten August schrieb: „Da Fachleute für Nachhaltigkeit als Aktivist:innen innerhalb ihres Unternehmens gedacht sind, besteht die Gefahr, dass sie durch die Zuweisung von Zeit und Ressourcen zu Buchhalter:innen werden.“
Zusammengenommen deuten diese beiden Faktoren darauf hin, dass die SR eher eine Belastung und Ablenkung als eine Triebkraft für echten Fortschritt sein könnte. Indem sie eher gut klingende Vorhaben statt substanzielle Veränderungen und damit eine Nachhaltigkeitskultur fördert, die von der Einhaltung von Vorschriften dominiert wird, hält die SR genau die Denkweise aufrecht, die sie zu bekämpfen versucht.
Das Argument gegen CSRD
„Louise und ich sind vor einigen Jahren zu dem Schluss gekommen, dass es keinen Sinn macht, die soziale Verantwortung von Unternehmen als das Säubern einzelner Fische, von Unternehmensfischen, zu betrachten und sie wieder in verschmutzte Gewässer zu setzen, sondern dass man sich mit den Marktbedingungen und Anreizen befassen muss, in denen Unternehmen schwimmen.“ (John Elkington)
Ich möchte klarstellen, dass SR notwendig ist und wertvoll sein kann. Um jedoch auf Einsteins Sprichwort zurückzukommen, lassen wir es weiterhin zu, dass sie sich unter der gleichen Theorie des Wandels entwickelt, nach der eine bessere Transparenz zu mehr externem und internem Druck führt, um Fortschritte bei der Nachhaltigkeit zu zeigen, als ob diese Theorie tatsächlich gut funktionieren könnte, wenn wir nur die Berichtsanforderungen weiter verbessern. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass, um die Metapher von Elkington und Louise Kjellerup Roger zu verwenden, eine bessere Berichterstattung dazu beitragen kann, das Wasser zu reinigen, in dem die Unternehmen schwimmen.
Die Tatsache, dass die EU und ähnliche Institutionen hauptsächlich auf die Berichterstattung setzen, um „die Marktbedingungen und Anreize, in denen die Unternehmen schwimmen, anzugehen“, funktioniert nicht nur nicht, sondern führt auch dazu, dass genau die Bedingungen, die sie zu beheben versuchen, fortbestehen und das Wasser schmutzig bleiben.
Deshalb denke ich, dass es an der Zeit ist, innezuhalten und den Ansatz für die SR zu überdenken, anstatt nur aus reiner Trägheit in dieselbe Richtung weiterzugehen. Aus diesem Grund glaube ich, dass die CSRD der EU mehr Schaden als Nutzen bringt, da sie Innovation und Strategie zugunsten einer übermäßigen Berichterstattung weiter verdrängt.

Die CSRD zielt darauf ab, „sicherzustellen, dass Investor:innen und andere Stakeholder Zugang zu den Informationen haben, die sie benötigen, um die Auswirkungen von Unternehmen auf Mensch und Umwelt zu beurteilen und um finanzielle Risiken und Chancen, die sich aus dem Klimawandel und anderen Nachhaltigkeitsbereichen ergeben, zu bewerten“. Die CSRD beruht nicht nur auf der gleichen Theorie des Wandels, ihr breiter Geltungsbereich verlangt auch von den über 50.000 Unternehmen einen hohen Preis für die Einrichtung der Prozesse und der Infrastruktur, die für die Erhebung der erforderlichen Daten erforderlich sind.
Eine Gruppe, die sicherlich von der CSRD profitieren wird, sind Beratungs- und Anwaltskanzleien, die bereits ihre Dienste anbieten, um Unternehmen bei der Erfüllung der CSRD-Anforderungen zu unterstützen.
Gleichzeitig wächst die Kritik an der durch die CSRD verursachten regulatorischen Belastung und ihren finanziellen Auswirkungen, insbesondere für kleinere Unternehmen, die unter die CSRD fallen, und es wird gefordert, dass die EU die Berichtspflichten je nach Unternehmensgröße um 25-50 % reduziert.
Insgesamt scheint die CSRD die Nachhaltigkeit weiter in eine auf Einhaltung der Vorschriften basierende Kultur zu drängen, in der die Berichterstattung eher zum Zweck als zum Mittel wird. Obwohl die CSRD wahrscheinlich mit guten Absichten entworfen wurde, schließt das nicht aus, dass das Ergebnis schlecht ausgeführt wird. Vielleicht wird es sich jedoch letztendlich als vorteilhaft erweisen, da die unverhältnismäßige Berichtslast, die dadurch entsteht, zu einem verstärkten Druck führen könnte, diesen berichtsorientierten Ansatz zu überdenken. Das könnte wiederum zu der Erkenntnis führen, dass es an der Zeit ist, einen effektiveren Ansatz für die Berichterstattung zu finden.
Anstatt zu versuchen, die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf eine Stufe mit der Finanzberichterstattung zu stellen, ist es an der Zeit, die Bemühungen auf die Umgestaltung des Umfelds, in dem Unternehmen tätig sind, zu konzentrieren.
Um beispielsweise die Tatsache zu ändern, dass so viele CEOs und Investor:innen Klimarisiken und -chancen ignorieren, brauchen wir eine Regulierung, die von ihnen verlangt, dass sie diese Risiken und Chancen mit klaren Zielen angehen, und nicht einfach nur vorschreibt, dass sie diese Risiken und Chancen offenlegen müssen.
Die Unternehmen müssen weiterhin Bericht erstatten, aber was wäre, wenn ihre Nachhaltigkeitsberichte zwei Seiten lang wären und sich auf zehn Schlüsseldaten beschränken würden? Ein neuer Ansatz für die Gestaltung von Nachhaltigkeitsberichten, der auf dem Prinzip „weniger ist mehr“ basiert und neue Konzepte einbezieht (siehe z. B. Lorraine Smiths Arbeit über Matereality), könnte Zeit und Ressourcen für die Unternehmen freisetzen, damit sie sich tatsächlich mit den Auswirkungen der Nachhaltigkeit befassen können.
Darüber hinaus könnte eine Verlagerung des Schwerpunkts auf die Regulierung der Auswirkungen und nicht nur auf die Berichterstattung darüber dazu beitragen, dass die Unternehmen aus der „Nachhaltigkeit-als-ob“-Mentalität herauskommen.
Können wir also bitte darauf hinwirken, dass sich die Unternehmen mehr auf die Nachhaltigkeitsarbeit als auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung konzentrieren? Wenn wir es mit der Nachhaltigkeit ernst meinen, können wir nicht länger so tun, als sei die Berichterstattung die Lösung, sondern müssen Vorschriften erlassen, die echte Veränderungen fordern.