Innovationen für die Circular Economy | Mindset
tl;dr Immer wieder erleben wir, wie sich manch gut gemeinte Nachhaltigkeitsinitiative und klug erscheinende Idee in der Umsetzung als grandioser Fehlgriff erweisen. Auch wenn uns diese, wie Fried Grosse-Dunker hier sehr richtig argumentiert, nicht abhalten darf, nach Lösungen zu suchen und diese auszuprobieren, lohnt es doch einmal zu schauen, was sich aus Fehlern der Vergangenheit lernen lässt.
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Bike-Sharing ist dafür ein gutes Beispiel. Viele Menschen besitzen Fahrräder, ohne sie täglich oder auch nur regelmäßig zu nutzen. So stehen viele Tonnen Metall und Kunststoff ungenutzt in unseren Kellern herum und jedes Jahr kommen weitere hinzu. Hier setzt das Prinzip der Sharing Economy an, bei dem nicht mehr Fahrräder, sondern Fahrradmobilität und einzelne Fahrten zum Produkt werden. Dies könnte in einer sehr viel effizienteren Nutzung, weniger Ressourcenverbrauch und am Ende weniger Abfall münden. Leider jedoch ist das Gegenteil der Fall. Ein 2018 von Alan Taylor im amerikanischen Magazin the Atlantic veröffentlichte Bilderserie, zeigt sehr eindrücklich, wie es u.a. in chinesischen Städten aussieht, nachdem sie mit tausenden von billigen und qualitativ minderwertigen Leihrädern überflutet wurden.
Wie wir auch in deutschen Großstädten beobachten können, sind diese nach nur kurzer Nutzungsdauer so beschädigt, dass sie nicht mehr repariert werden können und riesige Mengen an nicht mehr nutzbaren Metallen und Kunststoffen hinterlassen. Die durchschnittliche Lebensdauer dieser Räder liegt bei einigen Monaten. Bei E-Rollern sieht das Ganze noch schlimmer aus. Bei der ersten Generation der Roller auf den urbanen Sharing-Märkten dauerte es im Schnitt 28 Tage, bis sie auf dem Müll landeten.
Dies ist nur ein Beispiel von vielen, bei denen der Versuch, ein Problem zu lösen — in diesem Fall ungenutzte Privatfahrräder — uns eine ganze Reihe neuer Probleme beschert. Neben vollgestellten Fußgängerwegen und wildem Parken sind dies vor allem diese erschreckende Menge an Abfall. Wieso – fragen wir uns – bringen gut gemeinte Ideen immer wieder Ergebnisse hervor, die eigentlich niemand will?
Unzureichende Design-Prinzipien
Eine wichtige Antwort auf diese Frage lautet: Unzureichende Design-Prinzipien: Das Vertrauen auf einen Ansatz allein führt bei der Problemlösung häufig zu reduktionistischen Ergebnissen. Obwohl die Abkehr vom Besitz von Dingen hin zu einer geteilten Nutzung sich potenziell günstig auf unseren Konsum auswirken kann, ist das keine Patentlösung und muss mit anderen Strategien koordiniert werden, um wirklich nachhaltig zu wirken.
Design Thinking hat die Art und Weise, wie wir Produkte und Dienstleistungen entwickeln, revolutioniert, weil es sich vor allem an den Nutzer:innen und ihren Bedürfnisse ausrichtet. Nicht aus dem Blick geraten dürfen dabei jedoch, die Auswirkungen auf andere Stakeholder und die Umwelt. Geschäftsmodelle und -strategien, die auf Skalierbarkeit und eine schnelle Marktdurchdringung setzen, führen nicht selten zu Überproduktionen, die den tatsächlichen Bedarf weit übersteigen.
Wenn wir also bessere Designer:innen werden wollen, müssen wir diese Formen des Reduktionismus überwinden. Aber wie machen wir das?
Der US-amerikanische Nachhaltigkeitsexperte David Orr bringt seine Sicht auf diese Frage sehr schön auf den Punkt, wenn er feststellt:
“Every culture has a design strategy: It is based on the way we think the cosmos works, and how we imitate that”
David Orr
Das wirft einige ziemlich grundlegende Fragen auf. Offenbar beherrschen immer noch einige Fehlannahmen in unserem Denken, die wir bearbeiten müssen, wenn wir bessere Designer werden und den Wechsel von linearem zu zirkulärem Denken schaffen wollen
1. Die grundsätzliche Trennung zwischen menschlicher Kultur und Natur kann nicht aufrecht erhalten werden.
Die erste Fehlannahme besteht in der Vorstellung, dass die menschliche Welt oder Kultur grundsätzlich von dem unterschieden und getrennt ist, was wir gemeinhin Natur nennen. Unsere Umwelt wird damit dinghaft, eine Ressource, die es auszubeuten und zu beherrschen gilt. Selbst Öko-Aktivisten, die sich für den Schutz der Natur einsetzen, halten diesen Binarismus am Ende aufrecht, denn auch bei ihnen ist die Natur das Andere, etwas jenseits der menschlichen Welt.
Der jüdisch-christlichen Tradition und dem Menschengebot „die Erde zu bevölkern und sich Untertan zu machen“ folgend, sind es vor allem die Gründungsväter unserer modernen Wissenschaften, wie z.B. Newton, Descartes und Bacon, die unser Weltbild bis heute nachhaltig prägen, obwohl einige von ihnen spätestens seit dem 20. Jahrhundert insbesondere in der Physik und Biologie als längst überholt gelten.
Ihrem analytischen Reduktionismus verdanken wir zahlreiche unverzichtbare Errungenschaften in Technik, Medizin und Gesellschaft, in ihrer kategorischen Unterscheidung zwischen menschlichem Denken und der materiellen Welt aber eben auch das Verständnis von unserem Platz außerhalb der Natur.
Einher mit dieser langsamen Entfremdung von unserem Lebensraum ging eine historisch beispiellose Entwicklung immer neuer Werkzeuge und Hilfsmittel, um unsere unterschiedlichsten Bedürfnisse zu befriedigen. Nicht erst zu diesem Zeitpunkt, aber nun verstärkt begannen wir im großen Stil damit, so genannte Rohstoffe aus scheinbar unerschöpflichen Quellen zu extrahieren.
Da viele unserer Werkzeuge nur eine begrenzte Lebensdauer haben, verwandeln sie sich in Abfall, nachdem sie ihren Gebrauchswert verloren haben. Auch hier sind wir recht kreativ, wenn es darum geht diesen Müll verschwinden zu lassen – zumindest aus unserem direkten Blickfeld und zumindest für einige von uns.
2. Es gibt keine Externalitäten
Fehlannahme Nummer 2: Obwohl es die meisten von uns natürlich besser wissen, verhalten wir uns mit unserer Logik von Extrahieren-Produzieren-Nutzen und Entsorgen immer noch so, als sei die Erde ein Scheibe, bei der der Müll einfach auf der einen Seite herunterfällt und wir auf der anderen Seite immer neue Rohstoffe aus der Natur dort drüben gewinnen.
Zu den wichtigsten Erkenntnissen eben jener Wissenschaft, die die Kluft zwischen Kultur und Natur befördert hat, gehört jedoch: Die Erde ist rund und wir sind mittendrin. Es gibt auf einem begrenzten und in sich abgeschlossenen Planeten weder wirkliche Externalitäten noch unerschöpfliche Ressourcen und auch kein Jenseits, indem der Abfall verschwindet.
3. Komplexe Systeme funktionieren nicht linear
Die dritte Fehlannahme leitet leider zahlreiche Versuche, die Probleme zu lösen, die wir mit unserer Art zu Denken erst geschaffen haben. Wie in dem Bike-sharing-Beispiel haben wir die Tendenz, Probleme nur auf einer Ebene anzugehen und dabei die Auswirkungen auf andere Ebenen zu übersehen oder bewusst zu ignorieren.
Trotz den, beinahe ein Jahrhundert währenden, Versuchen von Forschern komplexer Systeme, uns vom Gegenteil zu überzeugen, denken wir uns die Welt immer noch aus einzelnen und getrennten Einheiten zusammengesetzt, die nach linearen Ursache-Wirkung-Mechanismen funktionieren.
Dabei wissen wir heute, es sich bei unserem Planeten um ein systemisches Ganzes aus ineinander verschachtelten Untersystemen handelt, die durch komplexe Rückkopplungsschleifen und zirkuläre Kausalitäten miteinander verbunden sind.
Wie wäre es, wenn wir noch einmal von vorne anfangen und nicht gegen sondern mit den Systemen arbeiten würden, die unseren Lebensraum ausmachen?
Was wir irgendwann Natur genannt haben, verfügt über 3,5 Milliarden Erfahrung in Forschung und Entwicklung. Wenn darum geht, die Tauglichkeit von Lösungen zu testen, gibt es kein besseres Labor als die Evolution. Design-Ansätze wie die Bionik oder Biomimicry inspirieren sich an Lösungen, die es bereits in der Welt der Lebewesen gibt. Wie wäre es also, wenn wir Design-Prinzipien folgten, die daran angelehnt sind, wie unser Planet funktioniert?
Eine der wichtigsten Sachen dabei wäre: Es gibt keinen Abfall, nur Nahrung. Alles Organische ist Teil eines endlosen Zyklus von Werden und Vergehen. Am Ende ihres Lebens werden organische Wesen nicht einfach Abfall, sondern Nahrungsquelle für zahlreiche andere Wesen. Mikroben, Bakterien und Pilze spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, totes organisches Material in Nahrung für andere Lebewesen zu verwandeln.
Anzeichen für den Wandel
Es gibt erste Anzeichen in Design, Architektur und der in Lebensmittelproduktion, dass wir das alte lineare Denken, zugunsten eines, dem Menschen und dem Planeten förderlichen zirkulären Denkens, hinter uns lassen. So ist im dänischen Kalundborg in den letzten Jahren mit Symbiosis ein Industriepark entstanden, bei dem die Ströme von Material, Wasser und Energie zwischen einer Reihe von Unternehmen und Fabriken so aufeinander abgestimmt sind, dass die Neben- und Abfallprodukte der einen, zum Rohstoff für die anderen werden. So dient beispielsweise die Asche aus dem zentralen Heizkraftwerk als Rohstoff für die Zementfabrik anstatt einfach auf der Müllkippe entsorgt zu werden. Diese industrielle Symbiose verringert mit jährlichen CO2-Einsparungen von ca. 635.000 t nicht nur die Folgen für das Klima, auch wirtschaftlich ist das Modell interessant. Kürzere Transportwege und Einsparungen bei der Rohstoffgewinnung bringen den beteiligten Unternehmen jedes Jahr mehr als 24 Millionen EUR an finanziellen Einsparungen.
Bereits 2015 schätzte McKinsey im Auftrag der Ellen McArthur Fundation, das Wachstumspotential für Europa bei einer Umstellung auf ein zirkuläres Wirtschaftssystem bis 2030 auf 1,8 Billionen EUR. Ein zirkulärer Ansatz in unserer Art zu wirtschaften macht nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich Sinn. Anders als es u.a. jene darstellen, die in einer nachhaltigen oder regenerativen Wirtschaft vornehmlich Verzicht und Einschränkung sehen, bleibt und mit dem längst überfälligen Umdenken nicht weniger, sondern mehr. Neben Wohlstand aber vor allem mehr Vielfalt, mehr Resilienz, mehr Gesundheit und am Ende mehr Lebendigkeit.
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