Eine der großen Herausforderungen der Organisationsentwicklung ist wohl, dass jede Organisation und jeder Kontext hoch individuell und hoch verschieden ist. Und gefühlt alles mit allem verbunden und damit ein Startpunkt für die Entwicklung selten offensichtlich ist.
Woran kann man sich also bei der Organisationsentwicklung orientieren, was ist fix, wenn alles im Wandel ist?
Das isb hat dazu 10 Prinzipien der Organisationsentwicklung formuliert, die wir für sehr hilfreich und wichtig empfinden und als Orientierung in unserer Arbeit nutzen. Unser Ludwig hat diese Prinzipien mal “in unsere Sprache übersetzt”, manchmal iteriert und für uns neu geclustert.
Viel Freude am Verändern und neu Erfinden!
Die Prinzipien sind als PDF und als Poster zum kostenlosen Download verfügbar.
Prinzipien für den Rahmen
1. Deal
Tl;dr: Wir wissen, was wir vorhaben und die Entscheider*innen auch.
Wir klären vorher, ob das Vorhaben ausreichend unterstützt wird. Bevor wir uns auf das Abenteuer der Organisationsentwicklung stürzen, checken wir, ob genügend Rückhalt in der Organisation vorhanden ist. Das heißt, wir setzen uns mit Entscheidungsträger*innen zusammen und klären, wer uns unterstützt und wer im Hintergrund die Fäden zieht.
Möge die Macht mit uns sein.
2. No, no limit*
Tl;dr: Wir verlassen die Komfortzone der Beteiligten, aber nie deren Möglichkeitsraum.
Methoden sind toll. Aber was in einer Organisation funktioniert hat, muss in der anderen nicht klappen. Es kommt immer darauf an, an welcher Stelle der Lernkurve sich die Beteiligten befinden. Der individuelle und/oder organisationale Reifegrad im Kontext von Veränderungsprozesses ist sehr bedeutend und von außen oft schwer zu beurteilen. Allerdings gilt auch: extrem steile Lernkurven kann man sich auch als Wand vorstellen: ein Hindernis, das eher abschreckt als motiviert. Ouch.
* eine Hommage an den großartigen „No limit“ Hit der 90er 🕺
3. Timeline
Tl;dr: ausnahmsweise Realismus über Konstruktivismus
Erst wenn die Spur stimmt, können wir Gas geben. Veränderungsprozesse brauchen kein Draufgängertum, sondern die Courage und den Mut, sich Zeit zu nehmen. Es geht nicht darum, alte Strukturen vorschnell über Bord zu werfen, sondern erst dann Neues zu etablieren, wenn dieses tragfähig ist und einen geordneten Übergang gewährleistet. Die alte Struktur bleibt bestehen, bis die neue tragfähig ist.
Prinzipien für Veränderung
4. Keep it real
Tl;dr: Wir arbeiten in echten Kontexten, nicht im Labor.
Es zählt, was die Organisation kann, wenn wir weg sind. Es ist wenig nützlich, unter perfekten Bedingungen und in enger Begleitung etwas zu erzeugen, was die Organisation später nicht selbst reproduzieren kann. Unser Ziel ist es, die Organisation so zu stärken, dass sie auch ohne unsere direkte Hilfe erfolgreich agieren und sich weiterentwickeln kann.
5. Fail forward
Tl;dr: Im Kleinen scheitern, bis wir Erfolge skalieren können.
Teppiche rollt man aus. Veränderungen nicht. Die brauchen Lernen und Entwicklung, bis es passt. Und das machen wir lieber im Kleinen mit einer Zahl von Personen, die wir auch betreuen können. Lösungen für die gesamte Breite kommen erst in Frage, wenn durch experimentierendes Vorgehen klar ist, was funktioniert – und was nicht. Erst wenn`s im Kleinen fliegt, rollen wir den flächendeckenden Teppich aus.
6. Habits
Tl;dr: Erst, wenn es Gewohnheit geworden ist, sind wir fertig.
Ein toller Plan ist noch kein Handeln. Ein Handeln ist noch kein erfolgreiches Experiment. Ein erfolgreiches Experiment ist noch kein neuer Alltag. Erst wenn der Change im Alltag angekommen ist, ist die Veränderung erfolgreich. Ansonsten bleibt das Vorhaben an der Transfer-Falle hängen: Akteure entwickeln Lösungen für den Alltag anderer Akteure und verkennen dabei gerne den Alltagskontext. Heißt also: das Transferproblem ist erst gelöst, wenn die Veränderung Alltag geworden ist. Weil das ja klar ist…(Zitat Edmund Stoiber).
7. MVC
Tl;dr: Wir erzeugen einen Minimum Viable Change (MVC). So schlank wie möglich.
Wir streben nur so viel Veränderung auf einmal an, wie mit den vorhanden Kräften und Ressourcen auch geleistet werden kann. Oft bedeutet das, erst mal nur in eine Richtung gehen zu können, nicht in alle gleichzeitig. Denn es führt gerne mal zu Stillstand, wenn in alle Richtungen gezogen wird. Die Idee der Beteiligung sollte nicht die Idee Arbeitsteilung auflösen: „Betroffene zu Beteiligten zu machen“, bedeutet nicht, dass jede*r bei jedem Schritt mitreden sollte.
Prinzipien für die Multiplikation
8. ASAP
Tl;dr: As simple as possible. Nicht as stupid as prayed for.
Die kritische Aufgabe in der Kommunikation von Veränderung ist es, etwas Komplexes leicht zugänglich zu machen. Es ist nicht die Aufgabe, etwas Komplexes so zu vereinfachen, dass es leicht, aber falsch verstanden wird. Solche Vereinfachungen führen oft zu Lösungen, die nicht passgenau sind. Daumenregeln kann man als solche Einführen, wenn sie die Handlungsfähigkeit erhöhen und so tiefere Erfahrungen ermöglichen. Kommuniziert man Vereinfachung als Wahrheit, ernten wir Widerspruch. Zurecht.
9. Be that change
Tl;dr: Wir machen in allen Interaktionen erlebbar, wie es sein könnte und sollte.
Die gewünschte Veränderung wird sinnvollerweise schon im Projekt erlebbar: durch uns in unserem Umgang, in unserem Vorgehen, in unserer Haltung. Dann müssen wir auch nicht die ganze Zeit hoffen, dass danach etwas passiert.
Die während des Veränderungsprozesses umgesetzten Beispiele dienen als Vorlage und Inspiration auch für Bereiche, die ursprünglich nicht direkt im Fokus standen. Indem die gewünschte Kultur bereits im Verlauf des Vorhabens erlebbar gemacht wird, wird sie Teil des alltäglichen Handelns und Denkens und somit werden positive “Spill-Over” Effekte auch in anderen Teilen der Organisation verankert.
10. Fit for Remix
Tl;dr: So arbeiten, dass wir uns überflüssig machen.
Was wir als externe Berater*innen in die Organisation tragen, sollte möglichst eigenständig auch von anderen Bereichen in der Organisation adaptiert werden können. Veränderungen, die wir nur unter großem Ressourceneinsatz leisten können, skalieren nicht. Die Rolle externer Begleitung sollte idealerweise sein, Lösungen und Prozesse zu schaffen, die sich ohne externen, kontinuierlichen Einsatz übernehmen und anpassen lassen, um eine breite und nachhaltige Wirkung innerhalb der Organisation zu erzielen.