Remote 2.0: Geht echte Teamarbeit wirklich digital?

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Digitale Teamarbeit | Remote Work | #newnormal

tl;dr Teamarbeit bedeutet, zwischen verschiedenen Arbeitsmodi zu wechseln. Aber welcher Arbeitsmodus ist für Remote Arbeit gemacht? Und welcher nicht? Wir versuchen uns an einer Remote-Evaluation.

Teil 1/2: Was im Home Office möglich ist. Und was nicht.

Landesweit schließen Kitas, Schulen und andere Bildungseinrichtungen, öffentliche Veranstaltungen werden abgesagt und „Home Office“ ist plötzlich der neue Standard (zumindest für die Managerial Class).

Das ist nun doch etwas, sagen wir mal, ungünstig für uns, denn: seit Jahren postulieren wir (und nicht nur wir), dass sinnvolle, gemeinsame konzeptionelle Arbeit nur analog funktioniert.

Tja, das ist dann jetzt wohl erstmal vorbei…

Was macht man also, wenn das Idealbild das Gestaltungs-Team ist, das gemeinsam am Whiteboard neue Lösungen erarbeitet und sich gegenseitig inspiriert? Was macht man, wenn das eigene Geschäft das gemeinsame Arbeiten an Konzepten, Lösungen und Ideen mit unseren Kund*innen ist?

Gehts das jetzt alles auch online? Was kommt nach dem Remote Wahn, wie sieht Remote 2.0 aus?

Fast alle Kund*innen sagen in diesen Tagen Präsenztermine ab, aus Angst, zur Verbreitung des Corona Virus beizutragen. Wir selbst sind alle ins Home Office und die Selbstisolation gegangen und arbeiten auch nur noch digital zusammen. Die Selbsterfahrung nach einer Woche Home Office lässt sich ungefähr so zusammenfassen:

Remote funktioniert erstaunlich gut. Und direkt danach: Boa, freue ich mich wieder auf analoges Arbeiten!

Die spannende Frage bei Remote 2.0 für uns ist also eher: welcher Arbeitsmodus funktioniert online besser, welcher offline? Wir suchen quasi den heiligen Gral der Kollaboration: “Das Beste aus beiden Welten”.

Auf dieser Suche nach dem heiligen Gral wollen wir uns mal systematisch die verschiedenen Arbeits-Modi anschauen, die zentral für moderne Wissensarbeiter*innen sind. Um gemeinsam zu überlegen: offline oder online?

Arbeitsmodi der Wissensarbeiter*innen

In unserem New Workspace Playbook haben wir verschiedene Arbeits-Modi herausgearbeitet und dafür jeweils die typischen räumlichen Ableitungen definiert — basierend auf unserer Praxiserfahrung.

Aus dem Playbook: Übersicht der Arbeits-Modi
Aus dem New WorkSpace Playbook: Übersicht der Arbeits-Modi

Welcher Arbeits-Modus ist wie Home-Office-tauglich?

1. Arbeitsmodus Tunnel

Arbeitsmodus Tunnel

Der Tunnel-Modus ist derjenige Arbeitsmodus, in dem wir in Einzelarbeit Sachen „wegschaffen“. Unser Ziel ist es, den Flow-Zustand zu erreichen und konzentriert und ungestört an unserem eigenen Thema zu arbeiten. Wie früher in der Uni-Bibliothek!

Easy, hier ist Home Office sogar die zu präferierende Variante und produktiver — sogar wissenschaftlich bewiesen. Eingeschlossen am Küchentisch kommen einem sowieso die besten Ideen…

Home-Office-Faktor: ⭐⭐⭐⭐⭐

2. Arbeitsmodus Einzel

Arbeitsmodus Einzel

In der Einzel-Zelle machen wir noch mehr als uns auf unser aktuelles Thema zu konzentrieren und Ergebnisse zu produzieren. Seien wir ehrlich, in den meisten Zellen multitaken wir konstant zwischen verschiedenen Aufgaben. Mal schnell die Mail beantworten, kurz das Telefongespräch annehmen, sich mal eben mit dem Kollegen oder der Kollegin abstimmen usw.

Irgendwie sind wir doch nur dabei, die ganzen Sachen auf die To-do-Liste zu schreiben und dann wieder zu löschen!


Trotzdem: Auch wenn die Ad-hoc-Abstimmung mit den Kolleg*innen fehlt — dies kann man auch kurz telefonisch oder per Slack (oder, oder…) lösen. Auch dieser Arbeitsmodus ist eigentlich perfekt fürs Home Office geschaffen, ist man doch dank fehlender Ablenkungen durch das Kollegium noch produktiver.

Home-Office-Faktor: ⭐⭐⭐⭐⭐

3. Arbeitsmodus Dialog

Arbeitsmodus  Dialog

Das ist der Modus, in dem wir uns mal eben schnell Feedback oder ein Sparring organisieren. Je nach Beruf oder Tätigkeit kann dieser Bedarf nach Dialogmöglichkeiten sehr unterschiedlich sein. Unseren Kund*innen schaffen wir hierfür je nach Anforderung unterschiedliche Umgebungen: Entweder die separat stehende Dialog Box oder den an Team-Arbeitsplätze angegliederten Dialog Space.


Unmöglich zu digitalisieren? Vielleicht ist es nur eine Frage der Koordination: Mithilfe digitaler Tools können wir sehen, welche Kollegin oder welcher Kollege gerade ansprechbar ist für diese Form des Dialogs. Wenn beide Seiten sich darauf verständigen, füreinander die schnellen Ansprechpartner*innen zu sein, sollte die Koordination auch kein Problem sein.

In diesem Kontaxt ist die Corona-Zeit perfekt für Experimente! Geht es digital, wie Culture Amp mit dem digitalen Kaffeetrinken versucht? Oder ist Steve Jobs Vorgehen bei Pixar, nur eine einzige Toilette im Erdgeschoss zu verbauen, damit Kollegen sich zufällig analog über den Weg laufen, das bessere Vorgehen?

Home-Office-Faktor: ⭐⭐⭐

4. Arbeitsmodus Social

Arbeitsmodus Social

Der Mensch ist natürlich nicht nur eine Arbeitsbiene, sondern immer auch ein soziales Wesen. Wir gehen nicht nur zur Arbeit, um Geld zu verdienen, sondern um uns als selbstwirksames soziales Wesen zu erleben. Gehen wir jetzt dank des Corona-Virus’ in die Krisen-Rente, sollten wir aufpassen, nicht zu vereinsamen! (Vielleicht ist das ja unser emotionaler Testlauf für ein späteres Worst Case Szenario in der Silver Society 💁‍♀️)


Außerdem entfällt das Serendipity-Prinzip völlig: Demnach enstehen die besten Ideen zufällig, durch Ad-hoc-Gespräche auf dem Flur oder seltenen Begegnungen zwischen Kolleg*innen, die sich nicht oft sehen, dann aber zufällig an ähnlichen Themen arbeiten. Fällt das Unternehmen als Begegnungsstätte weg, fallen auch Synergieeffekte weg, die entstehen könnten (siehe Steve Jobs und seine Pixar-Toiletten)!

Das Unternehmen als sozialen Ort mit inspirierenden privaten Gesprächen ins Home Office zu verlagern ist gar nicht so leicht! Vielleicht sogar geschäftsschädigend, weil der Motor für Ideen und Innovationen ins Stottern gerät.

Dank Corona können wir ja trotzdem mal damit experimentieren. Hier mal ein paar Anregungen für Experimente: vielleicht mal ein „Digital Lunch“ versuchen, „Gossip Chats“ oder Zeiten, an denen sich zur Pause verabredet wird. Vielleicht auch mal eine „Digital Townhall“? Auf jeden Fall aber „Daily Meetings“ im kleinen Kreis (max. 5 Personen) und „Weekly Meetings“ im größeren Kreis (max. 15 Personen).

Home Office Faktor: 

5. Arbeitsmodus Team

Arbeitsmodus Team

Now we’re talking: Geht Team-Arbeit auch wirklich vernetzt? Dafür sollten wir unterscheiden: Ein TEAM ist für uns eine Gruppe Menschen, die konsequent zusammenarbeiten und damit mehr erreichen, als sie es in Einzelarbeit tun würden. Im Unterschied dazu teilt sich eine GRUPPE die zu erledigenden Aufgaben auf und wirft sie am Ende wieder zusammen.

Ein richtiges Team unterstützt sich kontinuierlich gegenseitig und hilft sich, um die beste Qualität in jeder Einzelaufgabe zu erreichen. Es priorisiert gemeinsam und übernimmt füreinander Verantwortung. Dafür braucht es nicht zwangsläufig einen Meetingraum!

Trotzdem braucht ein Unternehmen Meetings. In Meetings werden Entscheidungen getroffen (oder zumindest simuliert), Feedback geteilt sowie Informationen verteilt.

5.1 Sub-Modus: Meeting

How to sabotage a conference call 🙂

Das ist schon längst gelöst: Viele Softwarelösungen ermöglichen es uns, digital zu meeten (außer die Technik kommt uns in die Quere). Niemand muss mit ein bisschen Übung heute noch in analogen Meetings sitzen, oder?

Hier ein paar Grundregeln für digitale Meetings, die wir bei Dark Horse gerne befolgen. Meistens zumindest. Wir sind auch nur Menschen.

Home Office Faktor: ⭐⭐⭐⭐

5.2 Sub-Modus: Gemeinsames Gestalten

Übersicht der Arbeits-Modi
Schneller Wechsel im digitalen Raum.

Der einzige Grund, warum wir Teamarbeit lieben, ist, dass wir gemeinsam schlauer sind als alleine — und es macht auch einfach mehr Spaß.

Schlechte Teams sind gemeinsam dümmer als alleine!

Schlechte Teams haben immer einen Chef (wie auch immer das mit der Definition eines »Teams« zusammenpasst, das erklärt Friedrich Merz dann sicher nochmal). Gute Teams erreichen ihr Ziel.

Grundlegend für die Team-Arbeit ist aus unserer Sicht der schnelle Wechsel zwischen verschiedenen Arbeits-Modi: Das Team kommt zusammen, informiert sich gegenseitig, bildet ein gemeinsames Verständnis und entwickelt eigene Sichtweisen, um dann darauf basierend zur Tat zu schreiten.

Dies kann dann sowohl Einzelarbeit als auch die Arbeit in Mini-Teams beinhalten. Wichtig ist bloß, dass das Team selbst Herr (und Frau) über den eigenen Arbeitsprozess ist. Hierfür ist natürlich auch die richtige Arbeitsumgebung notwendig. Gemeinsam gestalten (die Überschrift dieses Absatzes) bedeutet aber auch: gemeinsam iterativ arbeiten.

Klar gibt es auch dafür schon Software, die uns verspricht, gemeinsames iteratives Arbeiten auch digital zu ermöglichen, wie etwa Mural, Miro oder Sketchdrive. Doch Software adressiert nur die technische Seite der Team-Arbeit, nicht die kulturelle. Für das richtige Mindset und die Teamkultur sind immer noch die einzelnen Team-Mitglieder zuständig.

Unsere Erfahrung nach einer Woche Corona: digital ist das echt hart. Aber möglich. Manchmal zumindest. Im nächsten Teil der Serie widmen wir uns noch intensiver diesem Arbeitsmodus und wie gemeinsames Gestalten auch digital funktionieren kann.

Unsere These dazu: es ist keine Frage des Tools, sondern zunächst einmal, ob wir selbst verstanden haben, wie der Prozess gemeinsamer Konzeptarbeit eigentlich abläuft. Erst wenn wir den Prozess und die dahinter liegende jeweilige Geisteshaltung verstanden haben, können wir den Arbeitsmodus ins Digitale überführen. Falls überhaupt.

Home Office Faktor: 

Digital oder analog — was denn nun?

Zu Corona-Zeiten ist die Antwort klar: digital natürlich. Als Workaround. Als kurzfristiges Überbrücken. Was aber, wenn wir uns wieder analog begegnen dürfen? Immer noch alles digital? Wieder alles zurück auf analog?

Aus unserer Sicht ist die Zukunft von Corona-Remote, also Remote 2.0, ein hybrides Arbeiten.

Digital läuft nicht alles glatt. Das Gleiche gilt aber auch fürs Analoge. Manche Arbeitsmodi profitieren von digitalen Tools, manche leiden. Die Mischung macht’s.

Allein dass wir nun alle gezwungen sind, auf der digitalen Seite der Macht zu arbeiten, hat doch einen entscheiden Vorteil: wir verlassen mal temporär die analoge Seite der Macht. Und machen digitale Erfahrungen, die wir sonst womöglich so nie gemacht haben.

Wird damit Digital der neue Standard für alle Arbeitsmodi? Hoffentlich nicht. Aber Analog wird es auch nicht bleiben. Das wäre doch mal was…

Die Zukunft der Arbeit gehört denen, die beide Seiten der Macht beherschen. Finden wir. Hybrides Arbeiten statt Dogma!

Selbstzitiertes Dark Horse

>>> Weiter zu Teil 2 der Serie: Das Wunder der Entwurfsmentalität auch im Digitalen?

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