Culture meets Strategy for Breakfast

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Das Zusammenspiel von Kultur und Strategie: Ein Blick auf das Strategie-Hexagon.

tl;dr Leser unseres Future Organization Playbooks haben uns gefragt, warum “Kultur” als einer von sechs Kernbegriffen in unserem Strategie-Modell1 auftaucht. Was hat Kultur mit Strategie zu tun? Ist Kultur nicht zu undefinierbar, um es in eine Box in einem Modell zu zwängen? Wir glauben, es braucht Kulturentwicklung, um in den großen Aufgaben einer Organisation überhaupt vorankommen zu können.


Organisationen investieren in neue Strategien, in Transformation, in Innovation.

Die Dringlichkeit: Hoch.
Die Erfolgsrate: Niedrig.

Viele Vorhaben scheitern und hinterlassen Scherben.

Einer der größten Blocker: Strategien werden am Reißbrett entworfen. Sie ignorieren die Kultur einer Organisation. Kultur aber prägt per Definition, wie sich Menschen tatsächlich verhalten (egal wie groß und beeindruckend die Change-Matrix ausdefiniert wurde).

»Culture eats Strategy for lunch.« Rülps.

Nutzt man hingegen ein Begriffsverständnis von “Strategie” und “Kultur”, welches die beiden Begriffe aufeinander bezieht, steigt die strategische Handlungsfähigkeit. Folgendes Begriffsverständnis hat sich für uns bewährt.


Strategie bedeutet: etwas entwickeln

Organisationen wenden einen Teil der Ressourcen auf, um vorhandene Leistungen weiter zu erbringen (das nennen wir “operative Arbeit”). Einen anderen Teil ihrer Ressourcen investieren Organisationen in Neu- oder Weiterentwicklung (das nennen wir “strategische Arbeit”2). 

Weithin bekannt ist, dass sich die Umwelten einer Organisation ändern. Dort, wo sich Hypergrowth & Inflation gute Nacht sagen, wo die Globalisierung in zerbrochenen Lieferketten gefangen liegt, wo die Digitalisierung von der Pandemie getrieben und wo geopolitische Zerwürfnisse eine Antwort auf ökologische Erosion schuldig bleiben lassen, dort beginnt der Kontext heutiger Organisationen. 

Damit ist klar, dass die Fähigkeit zur Entwicklung entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der Organisationen ist. Eine entscheidende Fähigkeit trainiert man besser ständig. Kein Marathonläufer beschränkt sich auf ein jährliches Offsite. Das sollte auch für Organisationen und deren Strategiearbeit gelten. Wir denken, Strategie sollte andauernd3 stattfinden.

Strategie ist keine Magie auf Vorstandsebene. Relevante Entwicklungsanliegen können von allen Mitarbeitenden initiiert werden und brauchen oft das Zusammenwirken über mehrere Ebenen hinweg. Wir denken, Strategie ist Teamsport. Die Kunst bei einer so umfassenden Aufgabe, die potentiell alle betrifft und fortwährend passiert: Fokus finden. Es gibt so vieles, was entwickelt werden könnte. Es geht darum, echte Commitments zu geben und umzusetzen. Strategie gelingt, wenn die Akteure einer Organisation zusammenwirken und

  • wahrnehmen, welche Entwicklungsrichtungen und Wege sinnvoll für die Organisation in ihrer Umwelt sind und 
  • entsprechende Entscheidungen treffen und 
  • diese auch tatsächlich realisieren.

Soviel zum Strategiebegriff. “Culture eats Strategy for Breakfast”? Definieren wir noch den Kulturbegriff, dann wird klar, warum Strategie in der Nahrungskette der Kultur auftaucht.


Organisationskultur meint: das selbstverständlich Gewordene

Die expliziten Strukturen sind nur ein Teil von dem, was das Denken und Handeln in der Organisation bestimmt. Der andere Teil sind die impliziten Muster, Gewohnheiten und ungeschriebenen Gesetze, die bestimmen, wie in einer Organisation gehandelt und gedacht wird. Es ist all das, was selbstverständlich geworden4 ist. Wir nennen dies Organisationskultur.

Die Kultur einer Organisation beeinflusst die Wahrnehmung, Entscheidungen und Handlungen aller beteiligten Personen. 

Kultur wird oft als wirkmächtig, aber kaum greifbar definiert. Ein solches Begriffsverständnis begrenzt uns unnötig. Zwar lässt sich Kultur nicht anordnen, sie ist aber sehr wohl gestaltbar:

Eine Organisationskultur entsteht aus vorherigem Denken und Verhalten und beeinflusst zugleich das aktuelle Denken und Verhalten. Anders gesagt: Kultur reproduziert sich zum Teil selbst, hat also eine gewisse Stabilität. Eine Organisationskultur kann dabei auch verändert werden, z.B. wenn Akteure beginnen sich anders zu verhalten. Auch wird Veränderung möglich, weil Kultur sich nicht zu 100% exakt reproduziert, sondern immer wieder in kleinen Varianten wiederholt wird. Diese Differenzen bieten Möglichkeiten zur evolutionären Weiterentwicklung.


Dark Horse Strategiehexagon: Sechs Felder mit den Begriffen Zweck, Spielfeld, Wertversprechen, Kompetenz, Struktur und Kultur.
Das Strategie-Hexagon, Future Organization Playbook (2023)

Take Away I: Strategie braucht Kultur-Awareness

Es soll vorgekommen, dass Beratungen ihre Strategie-Empfehlung rein an Marktpotenzialen ausrichten. Wird ignoriert, was in der Organisation aktuell vorhanden ist, scheitert die Umsetzung im besten Fall. Im ungünstigen Fall übernimmt die Organisation sich, weil sie neben der Entwicklung am Markt auch Entwicklungen im Innern bewerkstelligen muss, die notwendigen Aufwände dafür aber nicht einschätzen kann. Stattdessen ist es Aufgabe von Strategie, die Passung zwischen Organisation und Umwelt dauerhaft herzustellen. Kultur ist ein sehr nützliches Konzept, um wenig explizite, aber wirkmächtige Muster in der Organisation zu beschreiben. Wer Entwicklungen mit Awareness für die vorhandene Kultur treibt, hat deutlich größere Erfolgschancen. Das hat Edgar Schein schon 19855 auf den Punkt gebracht:

[…] because “culture constrains strategy,” a company must analyze its culture and learn to manage within its boundaries or, if necessary, change it.

Take Away II: Kultur schafft Strategiefähigkeit

Wichtiger und zu wenig genutzt: Kultur begrenzt nicht nur, welche Strategien im Leistungsportfolio einer Organisation sinnvoll sind. Kultur ermöglicht strategische Handlungsfähigkeit. Das Innere der Organisation bestimmt, wie gut es ihr gelingt, sich im Äußeren zu entwickeln.

Eine gut entwickelte Kultur (in Bezug auf Lernen, Entscheiden, Führen, Fehler usw.) hilft der Organisation, Veränderungen im Außen wahrzunehmen und dazu sinnvoll zu agieren

Die Frage, welche der verschiedenen Möglichkeiten, in einem Markt erfolgreich zu werden, eine Organisation wählt, hängt am Ende davon ab, was diese als stimmig und in Übereinstimmung mit den eigenen Werten, Zielen und Annahmen wahrnimmt. Legen wir die oben genannten Definitionen von Strategie und Kultur übereinander, wird klar, wie eng der Zusammenhang von Kulturentwicklung und Strategiearbeit ist:

  • Strategie-Fähigkeit basiert auf Wahrnehmungen, Entscheidungen, Handlungen.
  • Kultur prägt Wahrnehmen, Entscheidungen und Handlungen.

Begreifen wir strategisches Handeln (also das Weiterentwickeln) als stetige Aufgabe, an der alle in der Organisation beteiligt sind, so können wir als Organisation darin besser werden. Es entsteht eine Kultur für Weiterentwicklung und die notwendigen Kompetenzen und Strukturen dafür reifen. Man könnte auch sagen: Eine Strategiekultur wächst (nur für den Augenblick und unter uns, es braucht wirklich keine weiteren Begriffe).


So what?

Lassen wir die Kultur nicht die Strategie auffressen. Setzen wir sie mit an den Tisch.

Weil die Organisationskultur so viel zum Make and Break einer Strategie beiträgt, haben wir ein Strategie-Modell entworfen, in dem die Kultur explizit vorkommt. 

Wir nutzen das Strategie-Hexagon, um die Passung von Strategien am Markt zur vorhandenen Kompetenz, Struktur und eben auch Kultur der Organisation sichtbar zu machen. Und so regen wir an, einen positiven Feedback-Loop zwischen Orientierung nach außen und nach innen zu gestalten. Gute Entwicklung am Markt schafft Spielräume für Kulturentwicklung. Kulturentwicklung sichert gute Entwicklung am Markt. Oder wie wir bei Dark Horse sagen:

Culture meets Strategy for Breakfast.

Letztes Update: 11. April 2024, kleinere Korrekturen

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  1. Auf den Schultern von Giganten, unser Strategie-Hexagon basiert auf der Arbeit von Roger L. Martin: Playing To Win (2013) und ist seit 10+ Jahren praxiserprobt. Wer das Modell noch nicht kennt, findet auf ↗ Vimeo oder  LinkedIn eine Einführung in 3 Minuten ↩︎
  2. Diese einfache und hilfreiche Unterscheidung zwischen operativer und strategischer Arbeit haben wir beim ISB Wiesloch kennengelernt. Beschrieben beispielsweise in Bernd Schmid (2019): Gemeinsam Wirklichkeit gestalten. Seite 25. ↩︎
  3. Strategische Arbeit sollte ständig stattfinden, schön beschrieben auch von ↗ Markus Andrezak (YouTube, 5 Minuten) ↩︎
  4. Kultur ist das selbstverständlich Gewordene. Definition von Bernd Schmid und Susanne Ebers (2010): Organisation 2.0 – Plädoyer für eine durch Kultur gesteuerte Organisation ↩︎
  5. Edgar H. Schein (1985):  Organizational Culture and Leadership (Seite 33). ↩︎

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