Ein Plädoyer für mehr Strategie als Gewohnheit und für weniger Planen.
Strategisches Denken und Handeln ist oft entscheidend für eine erfolgreiche Unternehmung. Aber immer alles minutiös genau planen zu wollen ist eine Falle. Planungssucht ist eine Form von Kontrollzwang. Sie ist nicht besonders effektiv und eine echte Spaßbremse.
Oft kritisiert und doch selten geändert: Ein neues Jahr beginnt und die Vorstandsetage sammelt sich in einem Offsite, um die neue Strategie mindestens für dieses Jahr, wenn nicht sogar für die nächsten 5-10 Jahre, zu beschließen. Der nächste logische Schritt: Diese Entscheidungen, die nun getroffen wurden, in einen Plan zu gießen.
Egal wie schlau die Menschen sind, die diesen Plan erstellen und wie schnell sie daraus Gantt-Charts ableiten können, der Komplexität und Schnelligkeit unserer Welt ist das egal und sie wird dafür sorgen, dass der Plan ihnen nicht gerecht wird. Ganz nach Mike Tyson, Strategielehrer der alten Schule:
Also, was ist hier passiert? Schlaue, bestimmt sogar sehr schlaue Menschen, haben Entscheidungen getroffen auf Basis von Annahmen über die Zukunft. Nur sehr begabte Oktupusse kennen die Zukunft, alle anderen machen nur Hypothesen.
Aber leider wird die Strategie nicht als ein Set von Hypothesen verstanden, sonst würden sie ja Experimente aufsetzen, um ihre Strategie zu validieren. Und eigentlich wissen wir das doch. Aber gute Vorstände sind sich doch nicht unsicher!
Sie kennen die Zukunft, sonst wären sie ja nicht gute Vorstände, richtig? Also können wir getrost direkt in die Umsetzung gehen und einen Plan machen. Und warum machen wir als gute Mitarbeitenden da mit? Nun ja, Arbeitsverweigerung kommt meistens nicht so gut an, aber es gibt noch zweiten, viel wichtigeren Grund: Planen ist viel gemütlicher als Arbeiten.
Die Planungsgemütlichkeit: Prokrastination + Scheinsicherheit
Wir haben eine schöne, wohlklingende, 200 ppt-umfassende Strategie erarbeitet und dürfen nun die Umsetzungsprojekte dazu aufsetzen. Laufzeit 2 Jahre, 10 konkreteste Meilensteine und eine sehr detaillierte Gantt-Chart-Aufgabenplanung über alle Abteilungen.
Das Gantt-Chart hat eine sehr seltsame Anziehung: So richtig sexy ist es nicht und ein offenes Geheimnis, dass es nicht halten wird, was es verspricht.
Aber: es gibt uns dieses unheimlich gute und befriedigende Gefühl, etwas getan zu haben – so ein richtig schweres, großes Stück Arbeit geleistet und jede Kleinigkeit aufgemetert zu haben. Ja, da sind wir stolz und die Bewunderung steigt vielleicht sogar, je größer und komplizierter das Gantt-Chart wird. Wenn wir ehrlich sind, ist es auch eine gemütliche Aufgabe, bei der man sich besonders klug vorkommt. Irgendwie nice!
Zusätzlich verleiht es einem das Gefühl von Sicherheit und Kontrolle, alles so gut ins Detail durchdacht zu haben. Es ist auch nicht so schlimm, dass fünf Minuten nach Projektbeginn alles angepasst werden muss. Kann man ja wieder unter die gemütliche Planungsdecke schlüpfen – und dann alle weiteren fünf Minuten bis das Projekt irgendwann beendet wird. Ja genau, nicht fertig wird, sondern beendet wird! Wir wissen doch alle, dass das Budget und die Zeit gerissen wird und nach drei Monaten schon klar war, dass der Vorstand da vielleicht doch eine falsche Hypothese hatte… klingt komisch, war aber so. Ja also was jetzt? Wie dann?
Routines everywhere!
Das Internet ist voll von Routinen: Morning Routine, Evening Routine, Meditation Routine, Workout Routine, Drinking Routine, Journaling Routine, Reading Routine, Face Routine, Hair Routine, Meeting Routine, Golf Routine… Gibt es noch überhaupt einen Bereich, der nicht so routiniert wird? Surprise: Die Strategie-Arbeit bekommt nur ein Mal im Jahr eine kleine Routine-Behandlung im Offsite von ein paar ausgewählten Leuten. Schade! Dabei wünscht sie sich doch auch, dass jede*r sie schrubbelt, bürstet, cremt und vor allem dabei lernt.
Denn auf jeder Ebene gibt es strategische Fragen und strategische Arbeit zu tun. Und das eigentlich jeden Tag. Unsere Lieblings-Beauty-Routine für die Strategie geht dann auch so:
- Wir denken Strategie in Hypothesen und entwickeln strategische Handlungsoptionen (kurz: „Optionen“).
- Wir priorisieren diese Optionen, in vollem Bewusstsein, dass diese Priorisierung auch nur eine Hypothese ist.
- Wir machen uns ans Machen, um in sehr kurzen Formaten diese Optionen zu explorieren.
- Und dann kommt der Game Changer: die Optionen werden nicht geplant und Gantt-fall-artig umgesetzt, sondern in kurzen unterjährigen Zyklen auf allen Arbeitsebenen partizipativ verzielt, um die Option zu validieren, indem wir sie testen, tracken…
- …und am Ende das Gelernte wieder zurückfließen kann. Damit die Vorstand*in weiß, wie sie die Strategie anpassen kann. (Lernschleife, kann auch schon in der Strategie-Findung passieren.)
Das Ende vom Lied? Unser Ludwig hat es so schön formuliert: „Strategy is similar to underpants. Put a little effort into change every day.”
Wer jetzt ein bisschen mehr Anleitung und Erklärung zu unserer Strategie-Beauty-Routine mag, kann in unseren Kurs reinschauen: Adaptive Strategie umsetzen mit OKR