Wie kommen die Kennzahlen ins Hexagon?

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Wie kommen die Kennzahlen ins Hexagon?

tl;dr Einige aufmerksame Leser haben eine interessante Frage aufgeworfen, die wir im Buch so explizit nicht beantworten. Wo stecken die Kennzahlen im Hexagon? Zeit, dies hier zu tun.


Die Business Welt funktioniert in Zahlen. Alles, was nicht in Zahlen darstellbar ist, ist nicht relevant. Also quasi das Gegenteil von Albert Einsteins angeblichem Zitat „everything that counts can’t be counted, and everything that can be counted doesn’t count“. Angeblich? In der Tat, wirklich belegt ist das nicht. Aber zurück zum Thema: Wo sind also die Kennzahlen im Hexagon? Wo finden wir die KPIs, die unsere Strategie erreichen soll? Eine gute Frage, die mehrere Antworten hat.

Kennzahlen oder Metriken existieren ja aus einem Grund: Sie sollen uns Einsichten geben und unsere Entscheidungen auf eine rationale Basis stellen. Es gibt also ein paar spannende Fragestellungen zur Strategie unseres Unternehmens, zu denen wir im besten Fall gute “objektive” Daten aka Kennzahlen haben wollen:

  1. Erreichen wir unseren selbstgesteckten Zweck?
  2. Geht es dem Unternehmen gut?
  3. Wie stehen wir im Vergleich zur Konkurrenz da?
  4. Make or buy?
  5. Funktioniert unsere Strategie? Entwickeln wir uns weiter?
  6. Haben wir die richtigen Strukturen, um zu messen, zu bewerten und zu verändern?
Dark Horse Strategiehexagon: Sechs Felder mit den Begriffen Zweck, Spielfeld, Wertversprechen, Kompetenz, Struktur und Kultur.

Alle diese Fragen finden wir im Hexagon wieder. Stürzen wir uns also ins kalte Zahlenwasser und fangen ganz oben an: wie messen wir den Zweck der Organisation?


1. Erreichen wir unseren selbstgesteckten Zweck?

Die einfachste Metrik berührt die Frage „Erreichen wir das, was wir wollen?“. Eine Kennzahl, die sich darauf bezieht, den selbstgewählten Zweck der Organisation zu bewerten, also zu messen, ob wir hier Fortschritte erzielen. Da der Zweck für jede Organisation unterschiedlich aussieht, gibt es hier kaum Standards. Höchstens berühmte Beispiele. 

Amazon’s Winning Aspiration ist: “Amazon strives to be Earth’s most customer-centric company, Earth’s best employer, and Earth’s safest place to work.” Gut, Teil zwei und drei des Satzes lassen wir jetzt besser außen vor, der Artikel soll ja kein Aufruf zur Revolution gegen den Kapitalismus werden.

Um den ersten Teil des Unternehmenszwecks zu messen, müsste man also eine Metrik finden, die Amazon sagen kann, ob sie wirklich kundenzentriert sind und dabei immer besser werden. Als Plattform gar nicht so einfach, denn da bedient man mehrere Kunden, die teilweise sehr divergierende Interessen haben können.

Aufmerksame Beobachter würden jetzt behaupten, die Mission von Amazon ist einfach Marketing Bullshit und das Unternehmen durchlebt einfach den typischen Entshitification Prozess aller digitalen Plattformen.

Stattdessen gibt es für Amazon wohl nur einen Unternehmenszweck: Das größte E-Commerce Unternehmen der Welt zu sein und dabei alle Konkurrenz vom Markt zu drängen. Das hieße also, für Amazon müsste der „Net Sales“ die  wichtigste Kenngröße sein, um den Unternehmenszweck zu messen. Der Net Sales ist das tatsächlich verkaufte Umsatz-Volumen aller Artikel. Um also für den Zweck der Organisation eine Metrik zu finden, müssen wir natürlich unseren Zweck klar definieren können. 

Für eine Suchmaschine wie Google (Winning Aspiration: “die beste Suchmaschine der Welt”) wäre hier die Anzahl aller Suchen weltweit wohl die spannende Größe.

Diese Kenngröße ist also immer anders, je nach Unternehmenszweck. Denn was man sein möchte bzw. was man erreichen möchte, ist eben damit verbunden, was Roger Martin eine „Winning Aspiration“ nennt (und diese müssen wir ehrlich formulieren, und am besten so, dass sie handlungsleitend und motivierend ist, aber das ist eine andere Baustelle).

Diese quantitative(n) oder qualitative(n) Kenngrößen zur Beantwortung der Frage nach dem Erreichen des Zwecks finden wir dementsprechend im obersten Feld des Hexagons. Wir fragen uns zum Einen ob wir in diese Welt passen, nehmen also Metriken zur Hand, die uns eine Auskunft darüber geben können. Zum Anderen fragen wir uns, wie wir unseren Unternehmenszweck messen könnten.


2. Geht es dem Unternehmen gut?

Die prominentesten aller Kennziffern: Umsatz, Kosten, Profit, Liquidität und Rentabilität! Gleich dahinter: Vergleichswerte zum Geschäftsmodell, wie z.B. die Anzahl der ABC Kunden oder der einzelnen Produkte an den Gewinnen. 

Hier geht es um die Gesundheit unseres Geschäftsmodells. Und diese lassen sich natürlich auch super auf die einzelnen Bereiche der Organisation herunterdeklinieren. Sie sind die Basis für Budgets und die Analyse einzelner Bereich der Organisation.

Diese Messgrößen sind so universell, dass wir sie auf jedes Unternehmen anwenden können. Abstrakt und dem Kontext enthoben, werden sie allerdings schnell zu einem Selbstzweck. Sie helfen uns, eine Diagnose über den Zustand einer Organisation und ihrer Teile zu treffen.

Ihr Nachteil ist: da sie eben universell sind, fehlt teilweise die kausale Verknüpfung zu der Wertschöpfung der Organisation. Sie helfen uns also nicht bei der Therapie, weil wir anhand der Zahlen nicht sehen können, warum diese schlechter werden oder unbefriedigend sind. Manchmal stehen sie der Therapie sogar im Weg, wenn sie zu viel Druck erzeugen, weil dann wenig Raum zur Exploration der Ursachen gelassen wird. Viel Druck und kein Ausweg erzeugt in der Praxis leider doch keine Diamanten.

Diese Kennzahlen stehen unserer Meinung nach außerhalb des Hexagons. Diese Metriken entziehen sich teilweise den kausalen Zusammenhängen, die wir im Hexagon darstellen wollen. Sie kommen als Interessen der Shareholder der Organisation von links ins Bild.


3. Wie stehen wir im Vergleich zur Konkurrenz da?

Ein weiterer externer Einfluss sind Kennzahlen, die uns helfen, unsere direkte Umwelt besser einzuschätzen. Wir sollten immer gut informiert sein über die Bedingungen am Markt, die Preise, die für vergleichbare Produkte oder Substitutionsprodukte aufgerufen werden.

Das Restaurant, das weiß wie teuer der Cappuccino in der Straße ist, hat einen wichtigen Anhaltspunkt für die eigene Positionierung und das eigene Pricing. Wie teuer die Autofahrt von Berlin nach Hamburg ist, gibt der Bahn einen guten Anhaltspunkt für die Gestaltung der eigenen Produkte.

Welche Kennzahlen hier spannend sind, hängt sehr von dem Spielfeld, dem Wertversprechen und dem eigenen USP ab. Bei der Einführung des iPhones verglich Steve Jobs es nicht mit einem dann plötzlich irrsinnig teuren Telefon, sondern mit einem Computer. Also spielt es hier (nicht nur aus Marketing-Gründen) eine große Rolle, mit wem oder was wir uns vergleichen wollen.

Für uns als Beratung ist es beispielsweise interessant zu wissen, welche Tagessätze andere Beratungsunternehmen anbieten. Wir fragen uns, welche internen Kosten diese pro Berater-Tag haben, und welche Auslastung pro Berater*in üblich sind. Kennen wir diese Zahlen, können wir unsere eigenen Wertversprechen besser in Bezug setzen und anhand unserer strategischen Differenzierungsmerkmale bewerten.

Diese Metriken finden wir also auf der rechten Seite außerhalb des Hexagons. Sie sind als Referenz für unser eigenen Handeln natürlich super wichtig.


4. Make or buy?

Eine durchaus spannende Frage ist immer: machen wir das selber oder kaufen wir es bei einem Zulieferer ein? Neben den dahinterliegenden strategischen Überlegungen spielen hier ja die Herstellungs- und Einkaufskosten eine wichtige Rolle (hier empfehlen wir dringend, eine Wardley Map zu machen, siehe Seite 169 ff. im Future Organization Playbook).

Diese Zahlen finden wir an dem Schnittpunkt zwischen der eigenen Kompetenz und dem der Partner und Zulieferer. Wie gut und wie günstig können andere einen Teil unserer Wertschöpfung anbieten?


5. Funktioniert unsere Strategie? Entwickeln wir uns weiter?

Und nun zum kompliziertesten Teil: Wie messen wir, ob unsere Strategie funktioniert? Streng genommen machen wir das, was wir schon in Abschnitt eins dieses Artikels (für den Zweck) gemacht haben. Das machen wir jetzt genauso für die Felder „Spielfeld“, „Wertversprechen“, „Kompetenz“, “Struktur” und „Kultur“.

Wir schauen in das jeweilige Feld unseres Hexagons, fragen uns, was für uns strategisch relevant ist, und definieren eine oder mehrere Kenngrößen, um Fortschritt messen zu können. Um das aber sinnvoll machen zu können, müssen wir die Strategie einer Organisation kennen. Wichtig ist hier, den kausalen Zusammenhang zwischen den Feldern des Hexagons zu quantifizieren und zu beobachten, der für eine funktionierende Strategie so wichtig ist.

In den wenigsten Fällen reicht uns hier allerdings eine einzige Metrik – wir müssen mehrere Metriken verknüpfen, um eine gute Aussagekraft zu bekommen.

Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten: Zunächst fragen wir uns, ob wir das, was wir messen wollen, tatsächlich messen können oder ob wir einen Proxy verwenden müssen? Dann können wir a) eine qualitativen inhaltlichen Messwert bestimmen, einen b) quantitativen oder einen c) prozessualen. Spielen wir dies einmal an zwei Beispielen durch (mehr dazu im zweiten Teil des Artikels).


Beispiel 1: Hexagon Feld „Wertversprechen“

Ein Unternehmen liefert selten nur ein einziges Wertversprechen an seine Kunden aus, sondern ein ganzes Bündel in verschiedensten Produkten und Services. Typischerweise denken wir jetzt also zunächst an die Metriken, die wir benötigen, um unsere Produkte und Services zu bewerten.

Zu jedem muss man nun natürlich eigene Metriken verwenden, um zu bestimmen, ob dieses Wertversprechen bei den Kunden ankommt. Ein Wertversprechen eines unserer Produkte ist zum Beispiel „ein*e besserer Entscheider*in unter Ungewissheit zu werden„. Das dazugehörige Produkt ist ein 2-stündiges Online-Webinar. Für so ein solches Online-Webinar kann man nun die branchenüblichen Kenngrößen anwenden: Wie viele Kunden konnten wir aktivieren? Wie viele Klicks in Kunden konvertieren? Was ist die Customer Acquisition Cost?

Aber Achtung! Auf der strategischen Ebene für die Gesamtorganisation sind andere Werte viel spannender. Unser zu messendes Wertversprechen auf dieser Ebene wäre vielmehr: Schaffen wir es, zum Komplizen unserer Kunden zu werden bei deren Mission, ihr Unternehmen in eine Future Organization zu verwandeln?

Sprich, für unsere Kenngrößen sollten wir messen, wie viele unserer Kurs-Kunden zu Kunden im Beratungsgeschäft werden? Welchen Customer Lifetime Value haben diese Kunden dann bei uns? Dies rückt die individuellen CAC pro Kurs in ein ganz anderes Licht. Wir könnten hier nämlich bewerten, wie sehr wir es schaffen, über unser gesamtes Produktportfolio die Bedürfnisse der Kunden abzuholen und an uns zu binden. Wir könnten messen, wie oft Kunden zu uns kommen und ob die Budgets der Projekte wachsen. Wir könnten von unseren Kunden Feedback einholen, ob wir dieses Wertversprechen erfüllen.

Des Weiteren kann hier natürlich eine weitere Messgröße für uns interessant sein: Wie schnell schaffen wir es, neue Wertversprechen in Produkte und Dienstleistungen zu übersetzen und am Markt zu platzieren? Dies ist für uns eine relativ interessante Messgröße, schließlich wollen wir pionierhaft unterwegs sein (hoppla, eine strategische Markierung!).

Wollen wir uns hier gegen uns selbst bewerten (also waren wir z.B. 2021 innovativer als jetzt), können wir als Proxy-Kenngröße auf die Anzahl der neuen Produkte und Dienstleistungsangebote schauen, die wir innerhalb eines Jahres entwickelt haben (das schließt auch die nach Außen nicht sichtbaren individuellen Dienstleistungen für Kunden ein).


Beispiel 2: Hexagon Feld „Kultur“

Auch hier fragen wir uns zunächst, welche Kultur-Elemente für uns von strategischer Bedeutung sind. Nur dann wollen wir sie ja messen und monitoren. Für uns wäre z.B. ein Kernfaktor hier die „psychologische Sicherheit“: ohne psychologische Sicherheit keine offene, vertrauensvolle Kommunikation und Kollaboration. Diese stellt aber sicher, dass wir voneinander lernen, und gegenseitig besser machen und wir eine Arbeitsatmosphäre schaffen, in der jede*r ihr Potential entfalten kann.

Genau diese Art Arbeitsumfeld benötigen wir, um uns als Gemeinschaft zu entwickeln, individuell unsere Projekte so aufzubauen, dass wir unser Lernen maximieren und diese Erfahrungen (positiv wie negativ) offen in die Firma tragen.

D.h. Teile unsere Kenngrößen könnten sein, die Anwesenheitsquote bei internen Lern- und Austausch Formaten, die Zufriedenheit mit der Arbeitskultur (jährliche individuelle persönliche Interviews), die Anzahl der freiwilligen individuellen Feedbacks (Wir nutzen u.a. das 6×10 Feedback), etc.

Wir sehen also, dass wir nicht DIE eine Best Practice Kenngröße haben, sondern ganz individuell schauen müssen, welche Faktoren für uns als Organisation wichtig sind, um unsere Strategie erfolgreich umzusetzen. Dann können wir uns fragen, wie wir diese messen wollen.

Hier muss man natürlich immer eine Aufwands-Ertragsabschätzung machen. (lohnt sich der Aufwand der Messung?). Gleichzeitig können wir uns das Messen von allen anderen Faktoren sparen. Hier lohnt es sich, ein bisschen Gehirnschmalz zu investieren, welche Dinge wir als Organisation wirklich messen wollen (aka unsere Zielgrößen).


6. Haben wir die richtigen Strukturen, um zu messen und zu bewerten?

Und das führt auch zu der letzten verbliebenen Frage: Haben wir die benötigten Strukturen, um diesen Messgrößen verantwortliche Rollen zuzuordnen, die diese Messgrößen betreuen? Konkreter gefragt: welche Managementstrukturen gibt es in unserer Organisation, um diese Messgrößen jeweils zu sammeln, im Kontext zu bewerten und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen? Hier sehen wir wieder, wie im Hexagon alles ineinander greift. Die Strategie muss ermöglicht werden durch die geeigneten Strukturen der Organisation.

So weit so gut. In diesem Teil konnten wir hoffentlich zeigen, dass die typischen Unternehmenskennzahlen sich teilweise im Hexagon, häufig aber auch außerhalb des Hexagons wiederfinden lassen.

Allerdings kann man hier natürlich noch ein bisschen tiefer einsteigen. 

Daher widmet sich Teil 2 der Blog-Serie dann damit, welche Arten von Metriken es überhaupt gibt, welche Ebenen man in einer Organisation damit verknüpft und was man damit messen möchte. 

Und zu guter Letzt dann noch Teil 3, wo wir anhand unserer eigenen Academy durchspielen, was und wie man Metriken anwenden kann. Wer darüber hinaus mehr über den Themenkomplex erfahren will, der schaut am besten im OKR Seminar oder im Workshop “Adaptive Strategie” vorbei. 

Willst Du Teil 2 und 3 dieser Serie nicht verpassen, dann trage dich am besten in unseren Newsletter ein. Da gibts auch noch weitere Tools & Methoden zum selber Messen.

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